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Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6
Autoren: Lori Handeland
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anheuern.“
    „Was ist mit dir?“, hakte ich nach. „Ich dachte, ein Zimmer wäre Teil des Gehalts.“
    „Ich arbeite so viel, dass ich, wenn ich mal rauskomme, auch rauskommen will.“
    Das konnte ich ihm nachfühlen. Mein Apartment in Philadelphia lag über meinem Büro. So viel zum Thema eingleisiges Leben.
    Ich war versucht, mich zu erkundigen, wo John Rodolfo wohnte, wollte aber nicht, dass King mich für ein Groupie hielt.
    „Du traust mir genug, um mich allein hier wohnen zu lassen?“
    „Planst du etwa, uns zu bestehlen, chérie ?“
    Meine Brauen zuckten angesichts des beiläufig eingeworfenen Koseworts nach oben. „Äh, nein.“
    „Hätte ich auch nicht gedacht. Abgesehen davon nehme ich das Geld mit. Und falls du Hochprozentiges klauen willst, sind es hinterher deine Kopfschmerzen.“
    „Was ist mit Verpflegung?“
    „Keine Küche. Softdrinks und Kaffee so viel du willst. Kein Alkohol während der Arbeitszeit.“
    „Das geht für mich in Ordnung.“ Ich trank generell nicht viel. Hatte es nie geschafft, einen Gaumen dafür zu entwickeln.
    „Außerdem“, fuhr er fort, „bist du hier in New Orleans. Da kannst du dir an jeder Straßenecke, in jedem Lebensmittelgeschäft etwas zu essen kaufen. Es ist praktisch unmöglich, einen Stock zu werfen, ohne jemanden zu treffen, der gerade etwas kocht.“
    „Davon habe ich schon gehört.“
    „Du solltest dich ein bisschen aufs Ohr hauen. Deine Schicht geht so lange, bis die letzten Gäste den Club verlassen. Das kann früher oder später sein, je nachdem, wie sehr den Leuten die Musik gefällt.“
    Die Vorstellung, die Vorhänge zu schließen, auf dieses Bett zu sinken und mich eine Weile dem Schlaf zu ergeben, war ebenso verlockend wie die Aussicht auf eine Dusche und einen Satz frischer Kleider.
    „Spielen jeden Abend verschiedene Bands?“, fragte ich.
    King nickte. „Hauptsächlich einheimische. Auf Trinkgeldbasis.“
    „Mehr verlangen sie nicht?“
    „In New Orleans war Geld noch nie so wichtig wie die Musik.“
    „Welche Musiker ziehen die meisten Gäste an?“
    „Die Leute sind verrückt nach Johnny.“
    Johnny ? Von allen Johnnys, die ich kannte, schien Rodolfo am wenigsten einer zu sein.
    „Wenn er zu spielen beginnt“, erklärte King, „strömen die Menschen schon nach den ersten paar Takten von der Straße herein. Es spricht sich herum, die anderen Clubs leeren sich …“
    „So gut ist er?“
    King zog eine buschige schwarze Braue hoch. „Konntest du es nicht fühlen?“
    Hätte ich Rodolfo nicht in der Nacht zuvor spielen gehört, ich hätte nicht gewusst, was King meinte. Aber ich hatte ihn gehört, und ich hatte es gefühlt. Eine Sehnsucht tief in meinem Innern, ein Teil von mir, der den Rhythmus erkannte und mehr wollte, ein Verlangen, das beinahe sexueller Natur war. Kein Wunder, dass Frauen ihm für eine schnelle Nummer in das „Privat“-Zimmer folgten.
    „Manchmal scheint er von der Musik geradezu besessen zu sein“, sinnierte King. „Oder vielleicht macht die Musik einfach nur alle anderen besessen.“
    Was für eine seltsame Bemerkung.
    „Du scheinst ihn gut zu kennen.“
    Sein Blick zuckte zu mir, und wieder war ich fasziniert von der eigenartig hellen Farbe seiner Augen. „Johnny und ich, wir sind vom gleichen Schlag.“
    Ich erwachte in einer Finsternis von solcher Vollkommenheit, dass ich im ersten Moment nicht recht wusste, wo ich war. Bis dann jemand lachte, eine Trommel ka-wumm machte, und ein Horn ein zögerliches Tuten hören ließ.
    Das Rising Moon hatte geöffnet.
    Ich bezweifelte, dass ich bei all dem Radau während normaler Schlafenszeiten viel Ruhe finden würde. Aber arme Leute durften nun mal nicht wählerisch sein, und bis nächste Woche würde sich mein Tag-Nacht-Rhythmus ohnehin umgedreht haben.
    Was bestimmt der Grund war, warum sich der letzte Bewohner Vorhänge zugelegt hatte, die so schwer waren, dass sie jedes Licht aussperrten. Hier schlief man offenbar häufig am Tag.
    Ich duschte, wobei ich erfreut feststellte, dass es kein Problem mit dem Wasserdruck gab, dann zog ich mir frische Sachen an, die ziemlich exakt den Klamotten entsprachen, die ich zuvor getragen hatte, nur dass sie sauberer waren. Nachdem ich meine Haare zu einem französischen Zopf geflochten hatte, war ich bereit. Ich benutzte nie Make-up; tatsächlich besaß ich noch nicht mal welches. Mir Farbe ins Gesicht zu pinseln, wäre, wie Farbe auf ein zweistöckiges Kolonialhaus zu pinseln – darunter befände sich noch immer
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