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Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6
Autoren: Lori Handeland
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in der ich den silbernen Brieföffner hielt. „Weil ich es nicht zulassen werde.“
    Er gab mich mit einem kleinen Schubs frei. „Du begreifst nicht, wie es ist, wenn der Halbmond am Himmel steht.“
    Ich konnte nicht behaupten, dass mich seine Worte nicht beunruhigten, doch ebenso wenig konnte ich behaupten, dass ich ihn nicht liebte.
    „Dann hilf mir, es zu begreifen, John.“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Hast du mich nur als Köder benutzt?“
    „Das war Kings Idee. Ich wusste noch nicht mal, was er getan hatte, bis du mit dem Foto hier aufgetaucht bist.“ Er atmete bedächtig ein und wieder aus. „Dich zu berühren, gab mir das Gefühl, wieder lebendig zu sein. Es war falsch, aber ich war selbstsüchtig. Wie es scheint, habe ich mich doch nicht so sehr verändert.“
    „Du hast die einzige Heilungschance, von der du wusstest, einfach aufgegeben, weil ich dich darum bat. Für mich klingt das nicht besonders selbstsüchtig.“ Er gab keine Antwort. „Ich weiß das Schlimmste von dir, John, trotzdem liebe ich dich noch immer.“
    „Nein, das tust du nicht.“
    „Sag mir nicht, was ich fühle.“ Meine Hand krampfte sich um den Brieföffner. „Du bist ein Werwolf, aber vielleicht könnte ich damit leben.“
    Johns Lächeln war traurig. „Ich werde dich nicht dazu verurteilen, Hunderte von Nächten allein zu verbringen, immer in der Sorge darüber, wo ich bin oder ob ich wieder nach Hause komme. Ich werde dich nicht des Geschenks berauben, Kinder zu bekommen, nur um dich an meiner Seite zu haben.“ Er wölbte die Hand um meine Wange, und ich schmiegte sie hinein. „Vor allen Dingen werde ich nicht zusehen, wie du alterst und stirbst, während ich exakt so bleibe, wie ich jetzt bin.“
    Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Dennoch …
    „Du ziehst es also vor, gar nichts zu haben, anstatt so viele Jahre wie möglich mit mir zusammen zu sein?“
    „Ja.“
    „Ich hätte dich nicht für einen Feigling gehalten, John.“
    „Irren ist menschlich“, erwiderte er und verschwand durch die Tür.
    Ich war so schockiert, dass ich ihm nicht gleich folgte. Großer Fehler.
    Katie war in Sekundenschnelle in der Menge verschwunden. John verschwand während eines einzigen Wummerns meines Herzens.

 
    36
    Ich fand ihn nicht; ich hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. John hatte die Jägersucher mehr als fünfzig Jahre lang ausgetrickst. Eine Privatdetektivin aus Philadelphia hatte nicht den Hauch einer Chance.
    Am Ende verbrachte ich also doch noch eine letzte Nacht in meinem Zimmer über dem Rising Moon . King kam zurück, als ich gerade am Packen war. Er blieb unter dem nutzlosen Hufeisen in der Tür stehen. „Pass auf dich auf, Mädchen.“
    „Keine Sorge, mir geht’s gut“, sagte ich, obwohl ich mich nicht gut fühlte. Ich fühlte mich wund, zerschlagen und zutiefst traurig. Ich würde John bis ans Ende meines Lebens vermissen.
    „Deine Schwester könnte überall sein“, warnte er mich. „Sie könnte dich verfolgen.“
    „Das hoffe ich.“
    „Sie ist nicht Katie. Sie wird dich töten .“
    Ich holte meinen Brieföffner heraus und drehte ihn hin und her, bis die Silberschneide das Licht einfing und aufblitzte. „Nein.“ Ich sah King in die Augen. „Das wird sie nicht.“
    Nachdenklich erwiderte King meinen Blick. „Du hast dich verändert.“
    „Die ganze Welt hat sich verändert.“
    King verbrachte die Nacht unten im Rising Moon , über seinen Knien einen Baseballschläger, um den Club vor Plünderern zu schützen. Ich kam zu dem Schluss, dass ich hier sicherer war als irgendwo sonst. Am Morgen würde ich den ersten Flieger nach Philadelphia nehmen. In der Zwischenzeit musste ich mir zurechtlegen, was ich meinen Eltern sagen würde. Mit Sicherheit nicht die Wahrheit.
    In aller Herrgottsfrühe ertönte ein Klopfen an der Vordertür. Sullivan stand auf der Eingangsterrasse.
    Ich war versucht, mich durch die Hintertür davonzuschleichen und direkt zum Flughafen zu fahren. Kings Miene nach zu urteilen, erwartete er, dass ich exakt das tun würde.
    Stattdessen öffnete ich, dann brachte ich so viel Abstand wie möglich, ohne dabei den Raum zu verlassen, zwischen mich und den Detective. Sein Blick verharrte auf meiner gepackten Tasche, dann glitt er zu meinem Gesicht. „Du gehst?“
    „Ja.“
    „Was ist mit deiner Schwester?“
    Er erinnerte sich nicht, in welches Wesen Katie sich verwandelt und was sie ihm angetan hatte; und das war gut so. Ich wünschte, ich hätte das Gleiche von mir
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