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Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Titel: Wolfskrieger: Roman (German Edition)
Autoren: M. D. Lachlan
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würde seinen Freund nicht töten. Der König war im Glauben aufgewachsen, dass ein Brudermörder ewig verdammt sei. Nicht dass er überhaupt daran dachte, Varrin zu töten und die Idee verwarf. Nein, er kam gar nicht erst auf diese Idee.
    Varrins Tod war ein Problem, das er auf die einzige Weise lösen würde, die er kannte – durch eine Beratung. Die Norweger wussten um die Kraft des Wortes.
    Das Land war in Sicht, und das Schiff kämpfte gegen die Strömung an. Schon mit voll besetzten Ruderbänken wäre es schwierig gewesen, nun aber hatten sie nur das Segel und den Wind, der obendrein in die falsche Richtung wehte. Es war die letzte Gelegenheit. Authun musste sie ergreifen. Varrin musste hier und jetzt sterben, damit sein Leichnam auf dem Pfad der Wale nach Norden getragen wurde, denn sonst bestand die Gefahr, dass seine sterblichen Überreste an freundlichen Gestaden antrieben und schwer zu beantwortende Fragen aufwarfen.
    »Varrin.«
    »Herr, ich weiß wohl, dass ich nicht zurückkehren kann.« Der erfahrene Krieger kannte den König gut und versuchte sogar im Angesicht des Todes, ihm die Last von den Schultern zu nehmen.
    Authun senkte den Kopf.
    Varrin sagte: »Was werden sie von mir denken, Herr?«
    »Deine Freunde haben dich geliebt, die Feinde haben dich gefürchtet. Unter allen Männern auf dieser Erde bist du derjenige, dem man am wenigsten Feigheit vorwerfen kann. Wer könnte auf mehr hoffen als dies?«
    »Werden sie Lieder über mich singen?«
    »Sie singen schon jetzt, Varrin. Nach deinem Tod werden sie unzählige Zeilen über dich dichten.«
    Varrin stand auf und atmete tief ein wie ein Mann, der sich an einem schönen Morgen erhebt. Er spähte zum Meer hinaus.
    »Herr, ich sehe eine Seeschlange, ein Untier voller Gift und Zorn, das sogar die Midgardschlange selbst verschlingen könnte. Gestatte mir, Ruhm zu erwerben und sie mit meinem Speer zu bekämpfen.« Da der Tod bevorstand, schien es, als schriebe Varrin sich seine Heldensage selbst: Seine Sprache wurde schöner und erinnerte an die Lieder der Skalden. Authun passte sich ihm an, um den Freund zu ehren.
    »Wohl gesprochen, tapferer Varrin. So kämpfe und erlange ewigen Ruhm. Gegen diese Schlange wirst du eine starke Rüstung brauchen. Deshalb vermache ich dir diese Brünne, die dich vor ihren Bissen schützen soll.«
    Authun nahm das Kettenhemd aus dem Fass und hob es hoch. Demütig angesichts dieser Ehrung verneigte Varrin sich und ließ sich vom König ankleiden. Als die Brünne fest saß, nahm der König den goldenen Wolfshelm. Die Rubinaugen stammten aus der Beute, die sie den Franken bei einem Plünderzug in den Süden abgenommen hatten. Er setzte ihn dem Freund auf den Kopf und verknotete die Riemen. Dann legte er ihm den kostbaren Mantel an und gab ihm den Speer.
    »Sag meiner Frau, dass sie mir immer eine gute Frau war, die mein Haus stets gut verwaltet hat«, erwiderte Varrin. »Sie ward mir ohne mein Zutun gegeben, doch ich habe sie geliebt. Mögen meine Söhne dir dienen, wie ich dir gedient habe, und verheirate meine Töchter, als wären sie deine eigenen.«
    Im Bug schlief die Frau, die Arme um die Kinder geschlungen.
    »Du wirst zu meiner Rechten in Odins Halle mit mir speisen«, versprach Authun ihm.
    »Wir werden die ganze Zeit betrunken sein.«
    Varrin drehte sich zur Seite und stellte den Fuß auf das Dollbord. »Nun zu dir, Schlange!«, sagte er leise, aber voller Entschlossenheit. Ohne einen Blick nach links oder rechts sprang er aus dem Langschiff und stach noch im Sprung den Speer in die Wellen. Mit Authuns prächtiger Brünne und dem Helm war an Schwimmen nicht zu denken. Einen Augenblick später war der Krieger versunken. Der König schluckte schwer und wandte sich ab. Varrins Tod war notwendig gewesen. Es war sinnlos, weiter darüber zu grübeln.
    Im Bug regten sich die Frau und die Kinder. Authun wunderte sich, dass sie nicht schon längst erwacht waren. Die Frau hatte während der Reise kaum ein Auge zugetan, doch es schien, als fühlte sie sich in der Nähe des Festlandes sicher und hätte sich endlich dem Schlaf überlassen.
    In all den Kriegen hatte Authun noch nie eine Frau getötet. Sie waren als Sklavinnen zu wertvoll, so hatte er es vor sich selbst gerechtfertigt. Das war aber keineswegs die ganze Wahrheit.
    Eine Hand an den Messergriff gelegt, beugte er sich vor und betrachtete die Kinder, die an ihrer Brust schlummerten. Bald würde er die Waffe benutzen, um die Frau zu töten. Vielleicht, wenn sie die
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