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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber
Autoren: R Adelmann
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der Größe nicht sicher war. Ich leg-
    te die Sachen auf die alte, zerschlissene Couch und suchte
    noch nach einer warmen Jacke. Nach zwei Fehlgriffen fand
    ich auch schon eine alte Arbeitsjacke, die eine Uni-Größe
    hatte. Ich nahm mir die Sachen von der Couch und legte
    alle Klamotten über meinen linken Arm. Beim Hinausgehen
    musste ich an einem Spiegel vorbei, der mir trotz Dunkelheit
    ein verfremdetes Bild meines Ichs zeigte. Der verwirrte, un-
    ruhige Ausdruck in meinem Gesicht erschreckte mich dabei
    am meisten.
    Ich beschloss, meine Gedanken auf etwas anderes zu
    konzentrieren. Schließlich wartete in der Küche Istvan auf
    mich, der mich brauchte und dem ich meine Hilfe verspro-
    chen hatte. Ich stürzte die Treppe hinunter und musste da-
    bei sehr aufpassen, nicht hinzufallen. Vom Vorraum aus sah
    ich den schwachen Lichtkegel und bewegte mich zaghaft
    und aufgeregt darauf zu. Ich wollte den Raum ganz lässig be-
    treten, so, als wäre gar nichts geschehen, und überlegte mir,
    vielleicht ständig zu plappern, um meine Nervosität damit zu
    überspielen.
    22

    So setzte ich schon vor der Türschwelle zu einer Ansage
    an.
    „Da bin ich wieder. Ich habe ein paar passende …“
    Der Rest meines Satzes blieb mir im Hals stecken. Er war
    weg. Nichts. Kein Lebenszeichen in diesem Raum, außer
    meinem eigenem. Alles war noch genauso, wie ich es verlas-
    sen hatte. Die zerknüllten Tücher lagen auf dem Tisch. Die
    Lampe leuchtete die beiden Stühle aus. Aber kein Istvan. Er
    war zusammen mit meiner blauen Decke verschwunden. Ich
    stand bewegungslos im Raum, die Kleidung noch immer im
    Arm und spürte einen kalten Luftzug aus der Ecke. Die Hin-
    tertür der Küche war nur angelehnt und schwang im Nacht-
    wind hin und her. Er war verschwunden. Ohne ein Wort.
    23

2. Erste Begegnung
    Ich stand wie betäubt vor dem Badezimmerspiegel und
    versuchte, wieder zu mir selbst zu finden. Ein dumpfer
    Schwindel zwang mich dazu, mich mit den Händen am
    Waschbecken abzustützen. Ich stand ganz knapp davor zu-
    sammenzuklappen. Der Schlafmangel und die außerge-
    wöhnlichen Ereignisse dieser Nacht verlangten ihren Tribut.
    War das alles wirklich geschehen? Hatte ich ihn tatsächlich
    angefahren und niemanden verständigt? Was zum Teufel war
    nur in mich gefahren?
    Ich kannte mich selbst kaum wieder und der Spiegel be-
    stätigte meine Befürchtung nur allzu deutlich. Die Refle-
    xion zeigte mir das Bild einer fremden Frau mit zerzausten,
    feuchtblonden Haaren, die so aussah, als würde sie jeden
    Moment zu schreien beginnen. Jede Zelle meines Körpers
    verlangte nach Schlaf, aber ich konnte nicht mal im Traum
    daran denken, jetzt friedlich ins Bett zu gehen oder gar die
    Augen zu schließen. Mir graute vor den Bildern, die ich se-
    hen würde, und vor den Schuldgefühlen, die bestimmt Teil
    meiner Träume sein würden. Eigentlich konnte ich nur eines
    tun. Ich spritzte mir mehrmals eiskaltes Wasser ins Gesicht.
    Das kühle Nass brannte auf meiner Haut, die vor lauter Auf-
    regung noch immer glühte. Jetzt erst wurde mir bewusst,
    dass ich noch immer meine Jacke trug. Wie seltsam. Ich
    stand in meinem eigenen Haus vollkommen angezogen im
    Badezimmer.
    Es gelang mir, die Müdigkeit zu unterdrücken und das
    Schwindelgefühl zu verscheuchen. Das musste ich sofort
    ausnutzen. Ich ging zurück in die Küche, wo das Schlacht-
    feld meiner Erstversorgung noch immer auf mich wartete,
    und schloss die Tür, die noch immer hin und her schwang.
    24

    Mein Körper schaltete auf Autopilot wie immer, wenn ich
    völlig fertig war. Meine Hände griffen nach dem Abfalleimer
    und mit einem kräftigen Wisch über den Tisch beförderte
    ich den gesamten Abfall, darunter blutverschmierte Tücher
    und die Pinzette, in den Eimer. Ich knipste die Lampe aus
    und stellte die Stühle an ihren Platz. Nach zwei Minuten
    sah die Küche so aus, als wäre nicht das Geringste passiert.
    Als wären das alles Geschehnisse eines seltsamen Traumes
    gewesen. Und als ich dann noch die Sachen meines Bruders
    zurück in den Schrank gelegt hatte, fühlte ich langsam wie-
    der, wie die Normalität zu mir zurückkam.
    Endlich zog ich den grünen Parka aus und streifte die
    Schuhe ab. Für mehr fehlte mir buchstäblich die Kraft. Mit
    schweren Lidern schleppte ich meinen müden Körper in
    mein Zimmer. Eine einzige kraftlose Bewegung, und ich fiel
    in mein Bett, noch immer mit der festen Absicht, nicht ein-
    schlafen zu wollen.
    In meinem Kopf drehte es sich weiterhin
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