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Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Titel: Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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Seiten her das lichtungsähnliche Gelände begrenzte.
    Die idyllische Gartenwirtschaft war nur spärlich besucht. Tannenberg führte seine Nichte zu einem etwas abseits unter einer mächtigen Trauerweide gelegenen Tisch, deren weit herabhängende Ästchen leicht im Wind baumelten. Er schaute sich um, konnte jedoch niemanden vom Servicepersonal entdecken. Deshalb schritt er selbst zur Tat und befreite den altertümlichen Metalltisch ebenso wie die schweren Stühle mit Hilfe einiger Papiertaschentücher von den dicken Wasserperlen, die wie halbierte Glasmurmeln aussahen.
    »Wolf, ich hab einen Test machen lassen«, sagte Marieke plötzlich. »Er ist positiv.«
    Tannenberg fuhr der Schreck in alle Glieder. Die schockierende Mitteilung ließ umgehend seine Gesichtszüge versteinern. Mit aufgesperrtem Mund und weit aufgerissenen Augen ließ er sich wie ein tatteriger Greis auf den Gartenstuhl niedersinken. Er wurde von Kälteschaudern durchgeschüttelt.
    »Was? Was? Ein Test?«, stammelte er. Sofort hatte er an Aids gedacht. Paralysierende Angst erfasste ihn. »Ein positiver Aids-Test. Oh Gott!«
    Tannenberg schlug die Hände vors Gesicht, sein Oberkörper begann zu beben.
    »Ein Aids-Test?«, fragte Marieke mit verwundertem Mienenspiel. »Wie kommst du denn auf sowas? Nein, ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
    Wie aus einem Katapult schoss Tannenberg in die Höhe. Er stand nun wieder direkt vor Marieke. Er packte sie bei den Schultern.
    »Ja, was denn dann, Kind? Los, sag schon!«, schrie er in einer derartigen Lautstärke, dass sich die anderen Biergartengäste sogleich neugierig zu ihm hinwandten.
    Marieke antwortete nicht sofort. Sie presste ihre vollen Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Ihr Blick senkte sich zur Tischplatte hinab. Dann erhob sie ihn wieder, sog in tiefen Zügen die feuchte Luft ein.
    »Du hast es doch eben gerade selbst gesagt.«
    »Was hab ich?« Tannenbergs Verwunderung stand ihm nur allzu deutlich ins Gesicht geschrieben.
    »Ja, du hast die Sache genau auf den Punkt gebracht.«
    Tannenberg warf die Stirn in Falten, schüttelte heftig den Kopf. »Ich versteh im Moment nur Bahnhof.«
    »Wolf, ich hab vorhin ...« Sie brach ab, räusperte sich mehrmals, bevor sie mit flüsternder Stimme fortfuhr, »einen Schwangerschaftstest gemacht. Ich bekomme ein Kind.«
    Erneut schossen Tränen in Mariekes Augen und machten sich gleich auf den Weg hinunter in Richtung ihres Mundes. Reflexartig versuchte sie mit ihren Handrücken die salzigen Perlen aufzufangen.
    Tannenberg zog ihre Hände vom Gesicht weg, streichelte sie zärtlich. »Jetzt versteh ich endlich! Gott sei Dank! Ich dachte schon, es sei etwas Schlimmes. Tut mir übrigens leid, dass ich dich schon wieder ›Kind‹ genannt habe.«
    »Macht doch nichts.«
    Riesige Erleichterung machte sich in ihm breit. Er lachte kurz auf. »Doch, doch. Das muss ich mir endlich abgewöhnen. Schließlich hast du mir schon als kleines Mädchen gesagt, dass du kein Kind mehr bist.«
    Mit einem versonnenen Gesichtsausdruck entließ Tannenberg die samtweichen Mädchenhände seiner Nichte wieder in die Freiheit, kramte aus seiner Leinenhose die letzten beiden Tempos hervor und überreichte sie ihr.
    Marieke bedankte sich mit einem stummen Nicken.
    Während sie versuchte, sich die Feuchtigkeit aus ihrem Gesicht zu tupfen, faltete er schmunzelnd die Hände im Nacken, dehnte seinen Oberkörper. »Sag mal, Marieke, das sind dann ja wohl hoffentlich Freudentränen, oder?«
    Unwillkürlich begann Mariekes Kinn zu zittern, um ihre Mundwinkel herum zuckte es.
    »Ich weiß ... noch nicht ... so recht«, stotterte sie wimmernd.
    Von der einen zur anderen Sekunde verfinsterte sich nicht nur Tannenbergs Miene, sondern auch sein Bewusstsein. Diese Chance ließ sich der aufdringliche Quälgeist hinter seiner Schädeldecke natürlich nicht entgehen.
    Du bist wirklich das unsensibelste Trampeltier, das auf der ganzen Welt herumläuft!, polterte seine innere Stimme sogleich los. Was ist denn, wenn Marieke das Kind überhaupt nicht haben will? Du bist vielleicht ein Hornochse! Du kannst sie doch nicht derart massiv unter Druck setzen.
    »Wolf, was ist denn mit dir los?«, fragte Marieke besorgt. Sie kannte ihren Onkel nun schon so lange, dass ihr seine plötzliche Wesensveränderung nicht verborgen blieb. »Warum schaust du denn so traurig?«
    »Ach, ich bin einfach ein Hornochse«, bediente sich Tannenberg der Wortwahl seines psychischen Korrektivs.
    »Warum?«
    »Weil ich
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