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Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Titel: Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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»Nein, nein, Rainer, das glaub ich einfach nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass da nichts dran ist.«
    »Du und deine Gefühle – welch ein weites Feld.« Augenrollend blickte Dr. Schönthaler zur Zimmerdecke empor. »Nun gut, wir werden sehen. Hoffentlich hast du mit deinem Optimismus recht, alter Junge!«
    Anschließend schickte er einen einsilbigen Abschiedsgruß in Tannenbergs Richtung und begab sich schlurfend zur Bürotür. Als er sie erreicht hatte, wandte er sich jedoch noch einmal zu ihm um.
    »Obwohl, wenn ich mir’s recht überlege, wäre das bestimmt eine spannende Sache, so ein Mord ohne dazugehörige Leiche. Daran würdet ihr unfähigen Verkehrspolizisten euch garantiert die Zähne ausbeißen«, feixte der altgediente Gerichtsmediziner.
    Tannenberg antwortete nicht auf die ungeschminkt vorgetragene Provokation. In Windeseile knüllte er einige Papierbälle zusammen und bewarf damit seinen besten Freund, der es augenblicklich vorzog, sich schnell aus dem Staube zu machen. Schließlich wusste er aus leidiger Erfahrung, dass mit einem erzürnten ehemaligen Regionalliga-Handballer in vielerlei Hinsicht nicht zu spaßen war.
     
    Am Nachmittag erhielt Tannenberg einen Telefonanruf, der seine bisherige Tagesplanung urplötzlich völlig über den Haufen warf. Er ließ sofort alles stehen und liegen und eilte mit fliegenden Schritten an seiner verdutzt dreinblickenden Sekretärin vorbei aus dem Kommissariat. Auf Petra Flockerzies neugierige Frage nach dem Grund seines überhasteten Aufbruchs reagierte er lediglich mit einem kurz dahingeknurrten »privat«.
    Marieke hatte ihm mit tränenerstickter Stimme mitgeteilt, dass sie große Probleme habe und ihn unbedingt so schnell wie möglich sprechen müsse. Da der kinderlose Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission die beiden Sprösslinge seines Bruders abgöttisch liebte, hatte er nicht einen Augenblick gezögert, war umgehend zu seinem Auto gespurtet und traf bereits wenige Minuten später am vereinbarten Treffpunkt am Bremerhof ein.
    Mit weit überhöhter Geschwindigkeit raste er in den unbelebten Parkplatz des am südlichen Stadtrand gelegenen Waldgasthofs hinein. Mit einer Vollbremsung stoppte er den Wagen. Hektisch blickte er sich um. Dann entdeckte er endlich Marieke: Seine Nichte saß in der rechten hinteren Ecke des weitläufigen Geländes wie ein Häuflein Elend zusammengesunken auf ihrem Scooter. Dieser Anblick verursachte ihm sogleich einen schmerzhaften Stich in der Magengrube. Reflexartig ging er von der Bremse, gab wieder Vollgas.
    »Um Gottes willen, Kind, was ist denn passiert?«, rief er ihr, noch bevor sein betagtes BMW-Cabrio erneut zum Stillstand gekommen war, durch das geöffnete Seitenfenster entgegen.
    Marieke gab ihm zunächst keine Antwort. Sie erhob sich mit hängenden Schultern von ihrem Motorroller. Wie in Trance bewegte sie sich langsam auf ihren Onkel zu. Tannenberg sprang aus seinem Auto, hastete ihr entgegen. Als die beiden zusammentrafen, schmiegte sie sich sogleich eng an ihn. Tannenberg schlug seine langen, kräftigen Arme um sie, zog sie behutsam zu sich heran, wiegte sie wie einen Säugling ein paar Mal sanft hin und her. Zärtlich streichte er ihr über die zu unzähligen kleiner Zöpfchen geflochtenen Haare.
    »Aber was hast du denn, Marieke?«, fragte er, während er sie gleichzeitig ein wenig von seinem Körper wegdrückte. Sein sorgenvoller Blick wanderte über das verheulte Gesicht seiner inzwischen 19-jährigen, bildhübschen Nichte. Er fischte aus seiner linken Hosentasche ein noch vollständiges Päckchen Papiertaschentücher heraus, reichte es ihr.
    Marieke bediente sich, tupfte kurz die Tränen ab und putzte sich anschließend die Nase. Allmählich schien sie die Kontrolle über ihre aufgeschäumten Emotionen zurückzugewinnen.
    »Lass uns einen Kaffee trinken gehen«, sagte sie mit belegter Stimme, während sie nach Tannenbergs Hand tastete. »Dann erzähl ich dir alles.«
    Vor einer guten Stunde hatte ein plötzlicher Gewitterregen die nach Feuchtigkeit lechzende Natur mit einem bilderbuchmäßigen Wolkenbruch geradezu ertränkt. Aber schon bald nach dieser erfrischenden Wetterkapriole hatte sich die Sonne zurückgemeldet und kraftstrotzend ihre Macht demonstriert. Die unglaubliche Wärmeenergie ihrer Strahlen hatte bereits einen Teil des Regenwassers in hellgrauen Dampf verwandelt. Milchige Dunstschleier waberten nun über die Wiesenlandschaft und krochen in den majestätischen Hochwald hinein, der von drei
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