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Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Titel: Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
Autoren: Roman Rausch
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hochstieg. Sie folgte ihm, fand dort aber niemanden vor. Nur der Lärm der Feier drang durch eine Tür heraus. Sie setzte sich in den Sessel einer Sitzgruppe, die entlang der Fensterfront aufgestellt war, und beschloss zu warten, bis sich jemand zeigen würde.
    Hinter einer der beiden Türen, die sich neben der Fensterreihe befanden, wurde es plötzlich lauter. Zwei Männerstimmen stritten miteinander. Sie maß dem keine größere Bedeutung zu, bis sie in einer der Stimmen etwas Vertrautes zu hören glaubte. Eine schaurige Erinnerung wurde in ihr geweckt. Leise öffnete sie die Tür zur Herrentoilette. Gleich dahinter war eine zweite Tür, die zur Besenkammer führte. Sie ging hinein und lauschte durch den Schlitz dem Gespräch der beiden Männer. Der Größere hatte ihr den Rücken zugewandt, während der andere in ihre Richtung blickte. Es war eindeutig Stahl. Er war älter geworden, aber seine Stimme hatte sie seit seinem Auftritt im Gerichtssaal nicht mehr vergessen. Spontan stieg in ihr ein Gefühl des Hasses hoch, und sie zögerte, ob sie nicht gleich auf ihn zugehen sollte, um eine Erklärung für seine Aussage vor Gericht zu erhalten.
    Dumpf drangen die Worte durch den Schlitz an ihr Ohr. Sie konnte nicht verstehen, worum es in dem Gespräch ging, aber eines war sofort klar: Stahl fürchtete um sein Leben. Er machte keinen Hehl daraus, dass der andere Mann ihn und seine Karriere mit den Papieren, die er ihm gegeben hatte, zerstören konnte. Wütend zerriss Stahl die Papiere, warf sie in die Toilette und betätigte die Spülung.
    »Da, wo ich das her habe, gibt es noch viel mehr, IM Amtsrat«, sagte der Mann zu Stahl.
    Julia kannte diese Stimme. Sie öffnete die Tür ein wenig, doch das Knarren ließ sie abbrechen, und sie zog sie schnell wieder zu.
    »Und solltest du auf die Idee kommen, deine amerikanischen Freunde über unser Gespräch zu informieren, dann kannst du dich tatsächlich gleich erschießen. Du kennst ja das offizielle Statement: Sorry, no comment«, schloss der Mann und verließ den Raum.
    Julia konnte ihn nur von hinten sehen, doch der Mann kam ihr seltsam vertraut vor. Gleich nachdem die Tür sich geschlossen hatte, öffnete sie sich wiederum, und ein kleiner, schmieriger Kerl kam herein. Er fragte Stahl: »Alles klar bei Ihnen?«
    »Nichts ist klar!«, brüllte Stahl zurück.
    »Kann ich helfen?«
    »Ja. Verpissen Sie sich!«
    Der Mann verließ die Toilette. Julia wartete noch eine Weile, bis sie sichergehen konnte, dass niemand mehr den Raum betrat. Dann öffnete sie die Tür und ging auf Stahl zu, der sich gegen das Waschbecken gestützt hatte und den Kopf hängen ließ.
    »Ich hätte nie gedacht, deine Fratze noch einmal zu Gesicht zu bekommen«, sagte sie.
    Stahl fuhr hoch. »Wer sind Sie?«, schnauzte er sie an. »Die Damentoiletten sind nebenan. Sie haben hier nichts verloren.«
    »Da bin ich ganz anderer Meinung. Wenn der große Triumph so nahe ist, dann sollte man doch nicht auf seine alten Freunde verzichten. Oder?«
    Stahl versuchte krampfhaft, sich an die Frau zu erinnern, die er von irgendwoher kannte.
    »Ich kenne Sie«, rätselte er. »Wo habe ich Sie bloß schon mal getroffen?« Dann plötzlich fiel es ihm ein. »Um Himmels willen. Kommen sie denn heute aus allen Löchern gekrochen? Los, verschwinden Sie. Ich habe nichts mit Ihnen zu schaffen.«
    »Ich habe etwas mehr Dankbarkeit erwartet, wenn man auf alte Weggefährten stößt.«
    »Ich schulde Ihnen gar nichts. Verstehen Sie? Nichts.«
    »Da bin ich ganz anderer Meinung. Was habe ich mich erschrocken, als ich Ihr Bild von der Ernennung zum Regierungspräsidenten in der Zeitung gesehen habe. Nach all dem, was Sie aus meinen Händen bekommen haben, habe ich mich schon gefragt, wie schafft es dieser Kerl nur, so schnell wieder auf die Füße zu kommen? Gestern ein reuiger Agentenführer und heute ein treuer und angesehener Diener seines Staates. So etwas nenne ich wahre Gesinnung. Wer musste denn diesmal dran glauben? Haben Sie Ihre Mutter oder einen Freund für die Ernennung verraten müssen?«
    »Halten Sie den Mund. Das sind alte Lügengeschichten. Ich hatte nie etwas mit Agenten zu tun. Und schon gar nicht mit Ihnen.«
    »Im Gerichtssaal klang das aber ganz anders. Soweit ich mich erinnere, haben Sie mich denen zum Fraß vorgeworfen. Alles nur fürs Vaterland. Was haben Sie dafür bekommen? Ein neues Ich, eine neue Karriere?«
    »Unsinn«, sagte Stahl und brach das Gespräch ab. Er drängte an ihr vorbei, hinaus auf den
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