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Wohnraum auf Raedern

Wohnraum auf Raedern

Titel: Wohnraum auf Raedern
Autoren: Michail Bulgakow
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...«
    »Bringen sie alle um?« fragte Sljoskin im G e schäftston und stieß Rauchwolken aus seinem stinke n den Pfeifchen.
    »Sljoskin, Sie sind wirklich komisch! Nicht alle ... Nun, wen sie eben ... Aber was sage ich da! Ich habe ganz vergessen, wir regen den Patienten auf.«
    Das Kleid rauschte. Die Hausfrau beugte sich über mich.
    »Ich rege mich nicht auf ...«
    »Unsinn«, sagte Sljoskin trocken, »Unsinn!«
    »Was ist Unsinn?«
    »Das da. Die Ossetinen und so weiter. Mist«, er stieß eine Rauchwolke aus. Das erschöpfte Gehirn begann plötzlich zu singen:
     
    Mama! Mama! Was soll aus uns werden!
     
    Sljoskin lachte kurz auf. Er dachte nach. Eine Idee blitzte auf.
    »Eine Unterabteilung für Kunst gründen wir!«
    »Eine ... was?«
    »Wieso was?«
    »Eine Unterabteilung von was?«
    »Also das ... Schau her, es gibt doch ein Volksko m missariat für Bildung oder wie es heißt. Und das hat verschiedene Abteilungen, Unterabteilungen, verstehst du?!«
    Die Hausfrau unterbrach ihn: »Um Gottes willen, sprechen Sie nicht mit ihm! Sonst fängt er wieder zu phantasieren an ...«
    »Ach was!« sagte Jura streng. »Und diese ganzen Mingrelen und Khmer oder wie sie heißen. Die sind einfach dumm!«
    »Wer?«
    »Die laufen nur herum und schießen in den Mond. Die werden uns nicht ausrauben ...«
    »Und was wird mit uns? Was wird?«
    »Unsinn. Wir gründen ...«
    »Für Kunst?«
    »Genau. Alles wird prima. Für bildende, darstelle n de, Photographie ...«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Mischenka, Sie sollten nicht sprechen. Der Doktor ...«
    »Ich erkläre es dir später. Alles wird prima. Ich habe mich schon erkundigt. Uns kann das doch gleich sein. Wir sind apolitisch. Wir sind die Kunst!«
    »Und leben von was?«
    »Einen Teppich kaufen wir für das Geld!«
    »Was für einen Teppich? ...«
    »Ach, bei uns hing in der Stadt, wo ich mich erku n digt habe, ein Teppich an der Wand. Meine Frau und ich, wir kauften gleich einen Teppich, als wir das G e halt bekamen. Die Zeiten waren unruhig. Aber zu essen hatten wir, gut sogar. Eine Lebensmittelration.«
    »Und ich?«
    »Du wirst die Literatur leiten. Ja.«
    »Welche?«
    »Mischunja! Ich bitte Sie! ...«
     
     
    3 . Das Ikonenlämpchen
     
    Eine pechschwarze Nacht zieht sich hin. Ich kann nicht schlafen: das Ikonenlämpchen flackert. In den Straßen wird, irgendwo weit weg, geschossen. Mein Gehirn aber ist von feurigen Nebeln erfüllt.
     
    Mama! Mama! Was soll aus uns werden!?
     
    Sljoskin organisiert da etwas. Wirft alles auf einen Ha u fen. Photographie. Darstellende. Bildende. Literatur. Und umgekehrt. Stapelt Photoapparate auf. Wozu? Literatur – das sind wir, wir Unglücklichen! Die Ing u schen haben blitzende Augen und reiten auf Pferden. Die Photoapparate nehmen sie weg. Lärm. Sie schießen in den Mond. Die Krankenschwester gibt mir eine Kampferspritze ins Bein: der dritte Anfall! ...
    »O-oh! Was soll nur werden?! Laßt mich los! Ich will weg, weg von hier ...«
    »Seien Sie still, Mischenka, Lieber, seien Sie still!« Nach dem Morphium verschwinden die Inguschen. Leise schwankt die samtene Nacht. Das Ikonenlämpchen leuchtet wie ein göttliches Auge und singt kristallen:
    – Ma-a-ma. Ma-a-ma!
     
     
    4 . Die Unterabteilung ist da
     
    Sonnenschein. Hinter jeder Droschke Staubwolken ... Das Gebäude ist von Stimmengewirr und Füßescharren erfüllt ... In einem Zimmer im dritten Stock stehen zwei Schränke mit herausgerissenen Türen und ein paar wacklige Tische. Drei Fräuleins mit violetten Lippen hämmern auf der Maschine oder rauchen.
    Mittendrin sitzt der Schriftsteller und formt aus dem Chaos die Unterabteilung. Bildende, darstellende. Schauspieler mit grauen Gesichtern drängen sich um ihn und verlangen Geld.
    Nach dem Rückfall Totenstille. Schwindel und Brechreiz. Aber ich leite. Die Literatur. Ich arbeite mich ein. – Leiter der Unterabteilung für Kunst. Volksbi l dung. Literaturkollegium.
    Da geht einer zwischen den Tischen herum. Er trägt eine graue Uniformjacke und unmögliche Reithosen. Er dringt in Gruppen ein, die sofort zerfallen. Wie ein Torpedoboot, welches das Meer durchschneidet. Wen immer er anschaut, alle erblassen. Am liebsten möchten sie unter den Tisch kriechen. Nur den Fräuleins macht das nichts. Die haben nie Angst.
    Er kam her. Sein Blick war durchdringend. Er nahm meine Seele, legte sie auf seine Hand und betrachtete sie aufmerksam. Aber meine Seele war kristallklar.
    Er gab mir meine Seele zurück und lächelte woh l
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