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Wohnraum auf Raedern

Wohnraum auf Raedern

Titel: Wohnraum auf Raedern
Autoren: Michail Bulgakow
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gebunden. Manchmal hing es schlaff herunter, dann flatterte es wieder. So, als lebte es. Einmal verfaßte er für eine Wodkaflasche ein Etikett gegen die Trun k sucht. Er schrieb einen Satz. Strich ein Wort aus und setzte ein anderes ein. Dachte nach, strich es wieder durch. Und so einige Male. Der Satz traf dann aber auch den Nagel auf den Kopf ... Heute schreibt man ... Eigenartig, wie man heute schreibt! Man nimmt es, liest es einmal, nein! Nicht zu verstehen. Man liest es noch einmal – dasselbe. Und so legt man es weg ...«
    Die lokale Dichtergruppe ist vollzählig versammelt. Nach ihren Augen zu urteilen, scheinen sie das nicht zu verstehen. Ihre Sache!
    Serafimowitsch ist weggefahren ... Pause.
     
     
    9 . Die Sache mit den großen Schriftstellern
     
    Der Graphiker unserer Abteilung malte Anton Pawl o witsch Tschechow mit einer Hakennase und einem dermaßen fürchterlichen Zwicker, daß es von der Ferne aussah, als trage Tschechow Motorradbrillen.
    Wir stellten ihn auf eine große Staffelei. Die Bühne war in rötlichen Tönen gehalten, ein Tischchen mit Karaffe sowie eine kleine Lampe vervollständigten das Bild.
    Ich hielt den Einführungsvortrag ›Über Tschechows Humor‹. Ich weiß nicht warum, vielleicht weil ich den dritten Tag nichts zu Mittag gegessen hatte oder aus einem anderen Grund, in meinem Kopf sah es jede n falls düster aus. Das Theater war gesteckt voll. Manc h mal verlor ich ein wenig die Fassung. Ich sah Hunderte verschwommener Gesichter, die bis an die Kuppel au f getürmt waren. Wenn wenigstens jemand gelächelt hätte. Der Applaus war hingegen freundlich. Verwirrt schloß ich: sie applaudieren, weil du fertig bist. Erleic h tert verzog ich mich hinter die Kulissen. Ich habe meine zweitausend verdient, jetzt sollen sich die anderen pl a gen. Im Rauchzimmer hörte ich, wie ein Rotarmist maulte: – Die gehören in die Luft gesprengt mit ihrem Humor! Nicht einmal am Kaukasus wird man in Ruhe gelassen! ...
    Er hat vollkommen recht, dieser Soldat aus Tula. Ich verkroch mich in meinen dunklen Lieblingswinkel hinter der Requisitenkammer. Aus dem Saal hörte ich Gelächter. Hurra! Sie lachen. Bravo Schauspieler. Die ›Chirurgie‹ riß uns heraus und die Geschichte von dem Beamten, der nieste.
    Es ist gelungen! Ein Erfolg! Sljoskin kam in mein Rattenloch gelaufen und zischte händereibend: »Schreib ein zweites Programm!«
    Es wurde beschlossen, dem Abend Tschechowschen Humors einen »Puschkinabend« folgen zu lassen.
    Liebevoll stellten wir mit Jurij ein Programm z u sammen.
    »Dieser Dummkopf kann nicht zeichnen«, tobte Sljoskin, »Marja Iwanowna soll das machen!«
    Ich bekam gleich ein ungutes Gefühl. Meiner Me i nung nach kann diese Marja Iwanowna so gut zeichnen wie ich Geige spielen ... Das wurde mir sofort klar, als sie in die Abteilung kam und erklärte, sie sei eine Sch ü lerin des berühmten N. (sofort wurde sie mit der Le i tung der Unterabteilung für bildende Kunst betraut). Aber da ich von Malerei nichts verstehe, schwieg ich.
    Eine halbe Stunde vor Beginn ging in in den Dek o rationsraum und erstarrte ... Aus einem Goldrahmen blickte mir Nosdrjow entgegen. Er sah wunderbar aus. Freche, etwas vorstehende Augen, ja sogar ein Backe n bart war schütterer als der andere. Die Illusion war so stark, daß es schien, er werde sofort in Gelächter au s brechen und sagen: »Ich komme gerade von der Kirc h weih, Alter. Kannst mir gratulieren: hab alles verspielt!«
    Ich weiß nicht, was für ein Gesicht ich machte, aber die Künstlerin war tödlich beleidigt. Sie errötete unter einer dicken Puderschicht und blinzelte.
    »Es scheint Ihnen ... Äh ... nicht zu gefallen?«
    »O doch. Wieso kommen sie darauf. Ha-ha! Sehr ... nett. Wirklich nett. Nur ... der Backenbart ...«
    »Was? ... Der Backenbart? Sie haben Puschkin offe n bar noch nie gesehen. Und das will ein Literat sein! Ha-ha! Soll ich Puschkin vielleicht glattrasiert malen?!«
    »Entschuldigen Sie, es ist nicht wegen dem Backe n bart, aber Puschkin war doch kein Kartenspieler, und wenn er spielte, dann ohne zu schwindeln!«
    »Kein Spieler? Ich verstehe überhaupt nichts! Ich s e he, Sie spotten über mich!«
    »Erlauben Sie, Sie sind es, die spottet. Ihr Puschkin hat Augen wie ein Straßenräuber!«
    »A-ah, so einer sind Sie!«
    Sie warf den Pinsel hin und rief von der Tür: »Ich werde mich in der Abteilung über Sie beschweren!«
    Es kam dann so ... Als der Vorhang sich öffnete und Nosdrjow frech in den dunklen Saal
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