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Woche voller Samstage

Woche voller Samstage

Titel: Woche voller Samstage
Autoren: P Maar
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es doch einmal mit ›Majestät‹«, mischte sich Herr Taschenbier ein. »Wissen Sie, der Kleine glaubt eben alles, was man ihm erzählt.«
    »Meinen Sie das im Ernst?«, fragte der Verkäufer, holte sein geblümtes Einstecktuch aus der oberen Jackentasche und tupfte sich die Stirn ab. Dann gab er sich einen Ruck und sagte:
    »Würden Majestät einmal in den Anzug schlüpfen?«
    Das Sams blieb weiter stocksteif stehen und sagte:
    »Da brauche ich gar nicht hineinzuschlüpfen. Der ist zu groß.«
    »Du kannst mir glauben, mein Junge, dass der Anzug passt«, sagte der Verkäufer ärgerlich. »Ich bin schon vierzehn Jahre hier tätig und habe langsam einen Blick dafür.«
    Das Sams begann den Anzug anzuziehen. Während es sich anzog, atmete es ganz langsam aus und hielt dann die Luft an. So wurde es dünn wie ein Stock. Hose und Jacke schlackerten an ihm herum wie an einer Vogelscheuche.
    »Der ist zu groß«, stellte Herr Taschenbier fest.
    »Vielleicht ist er wirklich etwas reichlich«, musste der Verkäufer zugeben. Er kam mit einem dunkelblauen kleineren Anzug und hielt ihn dem Sams hin.
    »Da, schlüpf hinein, der passt bestimmt!«, sagte er dabei.
    »Wie heißt das?«, fragte das Sams zurechtweisend.
    Der Verkäufer kochte innerlich.
    »Schlüpfen Sie einmal hinein, Majestät«, verbesserte er sich.
    Das Sams tat es. Es hielt immer noch die Luft an.
    »Darf man in diesem Anzug auch einatmen?«, fragte es scheinheilig.
    »Aber natürlich, Majestät. Was für eine dumme Frage«, antwortete der Verkäufer.
    Das Sams holte tief Luft, sein Trommelbauch wölbte sich nach außen, es krachte, und der dunkelblaue Anzug war von oben bis unten entzweigerissen.
    »Schlechter Stoff«, stellte das Sams fest. »Nichts zum Anziehen, höchstens zum Essen.«
    »Was hast du denn mit dem Anzug gemacht?«, fragte der Verkäufer entsetzt. Zum zweiten Mal zog er sein schönes Einstecktüchlein heraus und fuhr sich damit über die Stirn.
    »Nichts«, sagte das Sams. »Ich habe nur eingeatmet.«
    Der Verkäufer blickte sich um und versteckte den zerrissenen Anzug im Papierkorb. Gleich darauf brachte er einen neuen Anzug. Diesmal einen dunkelgrünen.
    »Hier, Majestät, probieren Sie den einmal«, sagte er matt und reichte ihn dem Sams.
    Das zog ihn an und fragte: »Darf man in diesem Anzug auch einatmen?«
    »Nein, Majestät, um Gottes willen!«, rief der Verkäufer verzweifelt. In diesem Augenblick ging gerade der Abteilungsleiter vorbei. Er war viel dicker als der Verkäufer, hatte einen noch schöneren Anzug an und trug zwei dicke Ringe und eine dunkle Hornbrille. Er hörte den Ausruf des Verkäufers und kam neugierig näher.
    »Haben wir einen hohen Gast?«, flüsterte er und deutete auf die Umkleidekabine. Ehe der Verkäufer antworten konnte, streckte das Sams seinen Kopf heraus und rief:
    »Nein, er nennt mich immer ›Majestät‹.«

    »Dich?«, fragte der Abteilungsleiter und zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
    »Er hat mir auch verboten einzuatmen«, fuhr das Sams fort.
    »Ist das wahr?«, rief der Abteilungsleiter.
    »Außerdem hat er einen zerrissenen Anzug in den Papierkorb geschmissen«, fügte das Sams noch hinzu. Der Abteilungsleiter bückte sich, kramte im Papierkorb und zog eine halbe Hose heraus.
    »Unglaublich«, rief er. »Sagt ›Majestät‹ zu kleinen Kindern, verbietet ihnen einzuatmen und zerreißt Anzüge! Sie gehen sofort zum Nervenarzt und lassen sich untersuchen!«
    »Aber, Herr Abteilungs...«, konnte der Verkäufer nur sagen, denn der Abteilungsleiter schnitt ihm das Wort ab.
    »Keine Widerrede! Sie gehen sofort zum Arzt, oder Sie sind entlassen!«, brüllte er. Der Verkäufer machte einen Bückling und verschwand.
    »Darf ich jetzt eigentlich einatmen oder nicht?«, mischte sich das Sams wieder ein.
    »Aber natürlich, Kindchen«, sagte der Abteilungsleiter lachend und klopfte dem Sams auf die Wange.
    Das Sams holte so tief Luft, wie es konnte, der Bauch spannte sich, und – peng – auch der dunkelgrüne Anzug platzte.
    »Was hast du da gemacht?«, schrie der Abteilungsleiter zornig.
    »Er hat nur eingeatmet. Er hat Sie vorher gefragt«, stellte Herr Taschenbier fest, und das Sams nickte dazu.
    Jetzt zog der Abteilungsleiter sein Einstecktüchlein heraus und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn. Dann schaute er sich um und stopfte die Reste des dunkelgrünen Anzugs zu den Resten des dunkelblauen in den Papierkorb.

    »Ich würde in diesem besonderen Fall Lederhosen vorschlagen«, sagte er dann
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