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Woche voller Samstage

Woche voller Samstage

Titel: Woche voller Samstage
Autoren: P Maar
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andere Leute arbeiten.«

    »Sie haben doch selbst gesagt, ich solle spazieren gehen«, protestierte Herr Taschenbier.
    »Das sollen Sie auch, Sie Stubenhocker«, rief sie zurück. »Sie sind schon ganz bleich, weil Sie den ganzen Tag im Zimmer hocken.«
    Herr Taschenbier schlug schnell die Tür zu und machte sich auf den Weg. Es war ein schöner Samstagmorgen, die Sonne schien, und er freute sich, dass er das Geschimpfe der Frau Rotkohl nicht mehr hören musste.
    An der nächsten Straßenecke stand dicht gedrängt eine Menschengruppe. Herr Taschenbier ging neugierig darauf zu. Die Leute betrachteten etwas. Es schien nicht sehr groß zu sein, denn alle blickten mit gesenktem Kopf nach unten. Er versuchte herauszufinden, was es da zu sehen gab. Aber er war zu klein, und die Leute standen zu dicht.
    »Man muss den Zoo benachrichtigen. Sicher ist es dort ausgebrochen. Ein gewöhnlicher Mensch hält sich so etwas nicht«, sagte eine Frau, die ganz vorn stand. Offenbar war es irgendein Tier.
    »Das scheint eine Affenart zu sein«, stellte ein Mann fest.
    »Affenart? Mit dem Rüssel? Sieht eher wie eine Art Frosch aus«, rief ein anderer Mann dazwischen.
    »Ein Frosch kann es unmöglich sein. Das Ding hat doch feuerrote Haare. Haben Sie schon mal einen Frosch mit Haaren gesehen? Noch dazu so groß?«
    Das wurde ja immer interessanter: ein Tier, das man sowohl für einen Frosch als auch für einen Affen halten konnte!
    »Sie sollten sich schämen, sich so über ein kleines Kind lustig zu machen. Sie als erwachsene Menschen, pfui!«, sagte empört eine dicke Frau und sah strafend um sich.
    »Ein kleines Kind? Sie sind wohl kurzsichtig«, sagte der Mann, der das Wesen für einen Affen gehalten hatte.
    Aber die dicke Frau ließ sich nicht beirren. Sie beugte sich hinunter und sagte: »Wie heißt du denn, mein Kindchen?«
    Herr Taschenbier konnte immer noch nichts sehen. Aber er hörte etwas. Eine helle, durchdringende Stimme sagte laut und deutlich: »Bin kein Kindchen, bäh!«
    Die umstehenden Leute rissen vor Erstaunen den Mund auf.
    »Das kann ja reden!«, rief ein Mann.
    »Richtig deutsch«, sagte eine Frau verwundert.
    »Habe ich ja immer gesagt«, stellte die Dicke fest und beugte sich wieder hinunter. »Sag doch mal was, mein Kindchen!«, forderte sie es auf.
    »Dickerchen, Dickerchen«, rief die gleiche durchdringende Stimme.
    »Meinst du mich damit?«, fragte die Dicke mit hochrotem Kopf. Ein paar Leute kicherten. Die Stimme begann zu singen:

    »Dick – Dicker – Dickerchen
    fand einst am Ostseestrand
    beim Graben mit dem Schäufelchen
    im Sand ’nen Elefant.
    Dick – Dicker – Dickerchen
    nahm Platz auf seinem Rücken.
    Da schrie der Urwaldelefant:
    ›Du willst mich wohl zerdrücken?‹
    Dick – Dicker – Dickerchen
    hörte nicht zu und schwatzte.
    Da rächte sich der Elefant,
    indem er schweigend platzte.«
    »So eine Unverschämtheit«, zischte die dicke Frau, drehte sich um und ging.
    Das war eine einmalige Gelegenheit für Herrn Taschenbier. Schnell schob er sich in die Lücke, drängte nach vorn und stand nun gerade vor dem Wesen, das singend am Boden saß.
    Jetzt verstand Herr Taschenbier, warum die anderen nicht wussten, wie sie es nennen sollten. Es war wirklich schwer zu beschreiben, weil es weder ein Mensch noch ein Tier war.
    Da war einmal der Kopf: zwei freche, flinke Äuglein, ein riesiger Mund, so groß, dass man fast Maul sagen musste, und anstelle der Nase ein beweglicher kurzer Rüssel. Sein breites Gesicht war übersät mit großen blauen Punkten. Aus den feuerroten Haaren, die wie Stacheln eines Igels nach oben standen, schauten zwei abstehende Ohren.
    Und so sah der Körper aus, auf dem dieser Kopf saß: Zuerst fiel der grüne, prallrunde Trommelbauch auf, weil er so groß war. Die Arme und Hände waren die eines Kindes, die Füße dagegen erinnerten an vergrößerte Froschfüße. Brust und Bauch waren glatt und grün, der Rücken rot behaart wie bei einem jungen Orang-Utan.
    So saß es auf dem Boden, hatte mit dem Singen aufgehört und schaute frech von einem zum anderen.
    »Das ist kein Tier, so viel steht fest«, sagte ein Mann aus der Menge. »Sonst könnte es nicht reden.«
    »Wollen Sie vielleicht behaupten, dass es ein Kind ist?«,
    fragte ein anderer.
    »Nein, ein Kind ist es auch nicht.«
    »Was ist es denn dann?«
    »Vielleicht kommt es vom Mars? Ein Marsmensch!«
    »Reden Sie keinen Unsinn«, mischte sich ein streng aussehender Herr ein. »Das Lebewesen hier kommt nicht vom
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