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Wo ist Thursday Next?

Wo ist Thursday Next?

Titel: Wo ist Thursday Next?
Autoren: J Fforde
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Psychothrillern über ein leeres Grundstück ohne weiteres überqueren. Wie erwartet gerieten wir sofort unter eine atmosphärisch aufgeladene Wolkendecke. Bei den Politthrillern war der Himmel noch klar gewesen, aber hier fiel ein ständiger psychologischer Nieselregen. Jurisfiktion hatte immerhin Warntafeln aufgestellt, um unvorsichtige Passanten darauf hinzuweisen, dass sie sich »möglicherweise tödlichen Verwirrungsmengen« aussetzten, wenn sie ohne geeignete Schutzkleidung eindrangen.
    »Ma’am?«, sagte Sprockett, und seine Augenbraue signalisierte »Alarm«.
    »Gibt’s ein Problem?«
    »Es ist mir sehr peinlich.«
    »Was ist? Muss ich Sie aufziehen?«
    »Nein, Ma’am. Es geht um die Feuchtigkeit. Menschen fürchten sich vor Viren und vor dem Altwerden, damit haben zahnradbasierte Lebensformen keine Probleme. Aber Korrosion, Honig, Magneten und Feuchtigkeit empfinden wir durchaus als Bedrohung. Es tut mir leid, Sie darauf hinweisen zu müssen, dass so etwas ganz schnell zu Fehlfunktionen und aufwendigen Reparaturen bei mir führen kann; und Ersatzteile sind mittlerweile skandalös teuer.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Warten Sie draußen auf mich.«
    Ich ging über die Grenze. Im Inneren der Psychothriller war es dunkel und ziemlich regnerisch. Ein kalter Wind blies mir ins Gesicht und trieb mir den Regen in jeden Winkel der Kleidung. Nach kurzer Zeit war ich patschnass. Die Baumwipfel schwanktengefährlich, und alle paar Minuten zuckte ein Blitz durch die Nacht, dann hörte man das Splittern von Holz und irgendwo fiel mit einem dumpfen Krachen ein Baum um.
    Unverdrossen ging ich weiter, wobei ich immer wieder knöcheltief in den morastigen Boden einsank. Nach ungefähr dreihundert Metern kam ich zu einer Lichtung mit kleinen Grashügeln, schimmernden Wasserlöchern und abgerissenen Ästen. Auf der gegenüberliegenden Seite, halb versunken im Schlamm, lag das Wrack eines gelb-schwarzen Taxis. Die Vorderseite war eingedrückt, der Motorblock war herausgerissen und die Karosserie stark verbeult. Im Seitenspiegel hatten sich Äste und Laubwerk verfangen, als der Wagen durch die Bäume gestürzt war. Während ich das Wrack anstarrte, zuckte ein Blitz durch die Nacht und ich las: »Keine Trinkgelder« und die Nummer »1517«. Es war Thursdays Taxi.
    Ich rannte hinüber, um zu sehen, ob es Überlebende gab. In meiner Hast war ich unvorsichtig und versank prompt bis zu den Oberschenkeln im stinkenden Wasser. Unter erheblichem Grunzen und Fluchen stapfte ich heraus und näherte mich dem Fahrzeug mit etwas größerer Vorsicht. Die hintere Tür stand offen, und auf dem Rücksitz sah ich einen Haufen Papiere liegen, die sich mit den geologischen Schichten unter den Scharfen Romanen beschäftigten. Der Mittlere Gatsby saß noch im Fahrersitz, aufgespießt auf die Lenksäule. Ein übler Fall von selektiver Nostalgie. Aus irgendwelchen Gründen waren alle Taxis bei uns Yellow Checkers aus den Fünfzigerjahren, als passive Sicherheit im Automobilbau noch vollkommen unbekannt war und tödliche Unfälle von Detroit mit größter Gelassenheit akzeptiert wurden. »Wischen Sie das Armaturenbrett ab und verkaufen Sie das Ding an den Nächsten«, war in der BuchWelt die gängige Attitüde, und das hatte auch seinen Grund. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Nostalgie und Sicherheit setzte sich die Nostalgie in neunzig Prozent aller Fälle durch. Überlebende von Autounfällen waren erzählerisch schlecht zu gebrauchen, aber Tote durchaus.
    Ich richtete mich wieder auf, schob mir die nassen Haare ausdem Gesicht und versuchte mir vorzustellen, was da passiert war. Während ich abwechselnd das verbeulte Blech, den leeren Rücksitz und die Überreste des Mittleren Gatsby anschaute, kam mir eine Idee: Die hintere Tür hatte offen gestanden, als ich gekommen war. Ich schaute mich um. Wohin wäre ich wohl gegangen, wenn ich mitten in der Nacht in einen Sumpf abgestürzt wäre? Noch dazu, wenn ich womöglich verletzt und auf jeden Fall sehr allein war?
    Ich wählte den offensichtlichsten Weg aus dem Sumpf und fand einen schmalen Pfad, der auf etwas höher gelegenes Gelände im Wald führte. Ich folgte ihm, so gut ich konnte, und nachdem ich ein paar Hundert Meter aufwärts gestolpert war, kam ich an ein Tor in einer Ziegelmauer, die von Stacheldraht gekrönt war. Weiß glänzende Isolatoren zeigten, dass der Zaun elektrisch geladen war. Neben dem Tor hing ein verwittertes Holzbrett mit der Aufschrift: Wilfred D.   Akron   – Heim
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