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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien
Autoren: Christian Springer
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macht die Situation nicht einfacher.
    Das Reisebüro Thomas Cook, das sich in heutiger Zeit auch um Billigtouristen kümmert, organisiert die Pilgerfahrt, die weltweit den Karikaturisten als Vorlage für unzählige Spottbilder dient.
    Angekommen in Nahost, wird viel geritten, das kaiserliche Paar wird kutschiert. Vorneweg Kavallerie. Glänzende Uniformen, blanke Helme. Dahinter wieder Kavallerie und dahinter wieder eine Reiterschar, stolz und elitär. Dahinter endlich das Kaiserpaar, völlig verdreckt und staubbedeckt. Die endlos scheinende Truppe der Reiter zieht eine riesige Staubwolke hinter sich her, die Wilhelm und Auguste Viktoria in dichten Sandnebel hüllt. Die Kaiserin beschwert sich, warum man nicht den Zug genommen habe. Sie ist die Einzige, neben den Berufsfotografen, die ständig mit einer eigenen Kamera hantiert. Mami macht Fotos, Papi posiert. Für das kaiserliche Hobby gibt es selbstredend auch eine Schar von Stativ-Leutnants, Fotoplatten-Marschällen und Fotoentwicklungs-Leibdienern.
    Die Jerusalemer Kirche wird ohne Zwischenfälle eingeweiht, und weil man gerade in der Gegend ist, schaut man sich noch ein bisschen um. Damaskus ist in der Nähe, Beirut auch. Nazareth hinwiederum und das Tote Meer lässt man wegen der Hitze links liegen, obwohl überall schon tausende bunter » Der Kaiser war hier«-Postkarten ausliegen. In Damaskus, der angeblich ältesten Stadt der Welt, » pilgerte« WilhelmII. zum Grab des hochverehrten Saladin. Der hatte zwar die Kreuzfahrer einst aus dem Heiligen Land getrieben, aber das war schon ziemlich lange her, und schließlich stand man jetzt als Deutscher auf der gleichen Seite. Den mit Koran -Zitaten verzierten Holzsarkophag des arabischen Helden empfindet der Kaiser allerdings als unwürdig und spendiert kurzerhand einen weißen Marmorsarkophag, der noch heute neben dem Original zu bewundern ist.Als der Kaiser weg war, verzichtete man allerdings auf die Umbettung. Der deutsche Zweitsarg steht bis heute leer daneben. Als am Ende des Ersten Weltkriegs Lawrence von Arabien Damaskus erobert, liegt auf dem germanischen Saladin-Sarkophag immer noch der ebenfalls als Huldigung hinterlassene goldene Ehrenkranz Kaiser Wilhelms. Lawrence, der Sieger, nimmt ihn weg und schickt ihn nach London, wo er bis heute im Archiv verstaubt.
    Das Kaiserpaar zieht mit seinem drei Kilometer langen Tross weiter ins libanesische Gebirge, nach Baalbek, eine der besterhaltenen Tempelanlagen aus römischer Zeit. Die Kaisers staunen und sind beglückt über so viel historische Erhabenheit und wollen sich natürlich auf Augenhöhe mit der römischen Vergangenheit in Erinnerung halten. Eine Bronzetafel muss her.Auch sie hängt heute noch. Allerdings in beachtlicher Höhe (und damit für heutige Besucher unleserlich), da beim Kaiserbesuch die Ausgrabungen noch nicht abgeschlossen waren. Als man die Grabungen vollendet hatte und der Schutt weggebracht war, hing die Platte plötzlich in luftiger Höh.
    Die Reise unterschied sich durch nichts von den Ausflügen heutiger Spitzenpolitiker. Kaiser Wilhelm galt als Medienkaiser. Er liebte es, sich zu inszenieren, und bediente sich des modernen Fotojournalismus wie kein anderer. Anfangs im Volk beliebt, galt er bald als narzistisch, rassistisch und taktlos. Eine Simplicissimus- Satire legte ihm in den Mund: » Im Bad ist ein Rohr geplatzt. Bringen Sie die Admiralsuniform!«
    So wurde auch die Orientreise, die den Grundstein legte für die blutige Allianz des Ersten Weltkrieges, in dem zigtausende deutscher Soldaten als Waffenbrüder der Türken zwischen Suezkanal und Konstantinopel ihr Leben ließen, sehr genau beobachtet. Das Programm war straff, war geheim und wurde oft geändert, Verdächtige und für verdächtig Gehaltene wurden bereits im Vorfeld ins Gefängnis gesteckt, Spitzel und Geheimdienste schnüffelten überall.
    In der Heimat wurde der Dichter Frank Wedekind wegen Majestätsbeleidung zu sechs Monaten Festungshaft verurteilt. Das Deutsche Reich vertrug keine Witze über kaiserliche Reisen. Die zweite Strophe seines Gedichtes auf die Orientreise Kaiser Wilhelms:
    Â» Willkommen, Fürst, in meines Landes Grenzen,
    Willkommen, mit dem holden Ehgemahl,
    Mit Geistlichkeit, Lakaien, Excellenzen,
    Und Polizeibeamten ohne Zahl.
    Es freuen rings sich die histor’schen Orte,
    Seit vielen Wochen schon auf deine Worte,
    Und es vergrößert ihre
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