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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
Autoren: Martin Gohlke
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Beglückwünschten gehörten auch die Schüler Ilona und Werner, die ein Liebespaar waren.
    „Einer vom Elternbeirat will gleich auch noch reden“, sagte Werner. „Wenn Peter Kraus gespielt wird, hole ich dich zum Tanz.“
    Werner fasste Ilona noch kurz an den taillenbetonten Gürtel ihres rotgepunkteten weißen Petticoat-Kleids, bevor er die Gaststube verließ und wieder im Festsaal verschwand. Ilona und Manfred blieben allein an der Theke zurück, Ilona davor und Manfred dahinter, der als Lehrling in der Gaststätte arbeitete und heute den Schankdienst verrichten musste.
    „Und dann hat Werner beleidigt gefragt, ob ich dich eigentlich lieber habe als ihn“, nahm Ilona das von Werner kurzzeitig unterbrochene Gespräch mit Manfred wieder auf. Nervös fummelte sie an ihrem Pferdeschwanz rum und nahm ein Schluck aus der Bluna. „Da hab ich nur gesagt, das weiß ich nicht.“
    Hundert Themen waren in der Stunde, in der sie allein an der Theke gesessen hatten, zur Sprache gekommen. Jedenfalls war es den beiden so vorgekommen.
    „Wir hätten schon damals im Pfadfinderlager miteinander rumknutschen sollen.“ Erneut trank Ilona von ihrem zuckerhaltigen Wassergetränk und hoffte, sich sogleich an Manfreds Reaktion erfreuen zu können.
    Ihre Augen trafen sich kurz; Manfred war am Zug.
    „Hätte auch gern mehr passieren dürfen als nur rumknutschen.“
    Jetzt war Ilona zufrieden, genau so etwas hatte sie hören wollen. Sie stellte das Glas auf den Untersatz und zwinkerte Manfred zu.
    „Noch eine Bluna?“, fragte Manfred.
    „Bei einem solchen Wirt kann man unmöglich Nein sagen.“
    „Wollen wir eine Gloria Filter rauchen?“, fragte sie leise, wobei sie „Filter“ betonte, denn so eine Zigarette zu rauchen, galt als etwas Besonderes.
    „Genuss ohne Reue“, zitierte Manfred mit einem Grinsen postwendend den Werbeslogan der Zigarettenmarke, womit er nicht auf den geringen Schadstoffgehalt der Gloria Filter hinzuweisen gedachte, sondern die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen einleiten wollte, die das gemeinsame Rauchen umgehend erforderte. Er schloss die schwere Tür zum Flur‚ damit bei einem Eintritt genügend Zeit bleiben würde, Ilonas Zigarette auszudrücken. Werner sah es nämlich nicht gern, wenn seine Freundin rauchte. Und auch die anderen Gäste hätten es mit Befremden zur Kenntnis genommen, wenn ein junges Mädchen mit einer Zigarette in der Hand an der Theke stand. Hier im kleinen Neuenkirchburg allemal.
    „Woran denkst du gerade?“, fragte Ilona, nachdem sie schweigend eine Zeit geraucht hatten. Ihr war es nicht entgangen, dass Manfred grübelte.
    „Nichts besonderes“, log Manfred. Er hatte sich an das Knutschen mit Ilona erinnern müssen. Dass sie eine Ewigkeit auf dem Cocktailsofa gelegen hatte. Und dass er froh war, dass sie es ihm nicht erlaubt hatte, ihr unter den Rock zu fassen. Eigentlich hatte er panische Angst davor gehabt, meinte aber, es probieren zu müssen, um seinem männlichen Ego gerecht zu werden. Ein Jahr war das jetzt her. Die Sehnsucht nach einer Wiederholung holte Manfred im Moment genauso ein wie der nagende Kummer, dass Ilona und er nicht zusammen waren.
    Weiter als bis zu diesem Punkt dachte Manfred nie, wenn er über sich und Ilona sinnierte. Ilona stand Manfred in dieser Frage nicht nach und hatte es sich ebenfalls zur Gewohnheit werden lassen, ihre Gedanken an Manfred an einem bestimmten Punkt einfach abzuwürgen.
    „Vielleicht  kann ich ...“, weiter kam Ilona nicht, schwere Schritte vor der Tür kündigten den Eintritt von Werner an, Ilona kannte sie zur Genüge. Hektisch drückte sie ihre Zigarette aus.
    „Du hast geraucht“, schnaubte Werner. „Ich hab‘ ja immer gewusst, dass Manfred einen schlechten Einfluss auf dich hat.“ Dabei grinste er über beide Backen, denn ernsthaft böse wollte er heute nicht mit Ilona werden. Nicht am Tag ihrer gemeinsamen Abiturfeier.
    Seit geraumer Zeit hatte sich Werner kaum etwas sehnlicher gewünscht, als dass mit der Schule bald Schluss war. Nichts hielt er von dem Gymnasium, indem er neun Jahre verbracht hatte. Kaum etwas von dem Gelernten hatte ihn wirklich interessiert; ab heute, da war er sich sicher, würde es nur noch darum gehen, alles möglichst schnell wieder zu vergessen. Er war sich ganz einig mit seinem Vater, dass das Lesen von Homer oder Tacitus eigentlich kein Mensch braucht, dass man da aber halt durch muss, wenn man mal gut Geld verdienen will. Mehr Geld als üblich.
    Werner packte Ilona an der Hand und zog
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