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Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)

Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)

Titel: Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)
Autoren: David Markson
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worden. Nicht jeder Mann glaubt so etwas. Die Beweise für nichts mehr (aber alles ist doch noch da, bloß die Menschen nicht!) werden immer grotesker, ähnlich wie in jenem berühmten Fall der Verbrechersuche mittels DNA , Beweise, die sich einst in verschiedenen deutschen Bundesländern, an den verschiedensten Orten gefunden hatten, DNA -Spuren, die auf eine einzige Frau hingewiesen hatten, welche aber überall gewesen sein mußte, womöglich überall zugleich, ein Phantom, eine allein konnte nicht so viele Spuren erzeugen, an so vielen Orten gewesen sein und Verbrechen verübt haben, und am Ende, als viele Personen, die geendet hatten, ein verwirrendes Bild ergeben haben, eine Art menschlicher Tausendfüßler, stellte sich heraus, daß das sichergestellte (gut, daß wenigstens etwas sicher ist. Nein, es war sicher und gleichzeitig nicht sicher, weil nur ein Teil der Aussage stimmt) Genmaterial eine vielfach auftretende (Spuren entstehen durch Auftreten!) Verunreinigung durch eine einzige Frau, ich meine: eine einzige Verunreinigung durch eine einzige Frau war, und die hatte nicht die Orte der jeweiligen Geschehen verunreinigt, sondern die Testmedien, die Wattestäbchen, welche an all diesen Orten, die zum Teil weit auseinanderlagen, offenbar Ergebnis einer Reise, einer Wanderung waren, die Spuren aufgenommen hatten. Jeder kann das besser sagen als ich, selbstverständlich. Eine Verunreinigung, eine Frau als Verunreinigerin (Frauen machen immer Schmutz, sie bluten, und sie müssen das auch immer selber wegputzen), in diesem Fall eine unbescholtene Verpackerin von Wattestäbchen, die an den unterschiedlichsten Verbrechensschauplätzen zum Einsatz gekommen waren und immer wieder reziprok auf diese Verpackerin hingewiesen haben, ein paar Zellen genügen ja schon, nicht die Gitter-Zellen, sondern die Haut-Zellen. Die Zellen dessen, was uns umschließt und uns bevollmächtigt, herumzugehen und neue Spuren zu machen. Man weiß nun nicht mehr, was ist Spur, wer ist die Verursacherin. Und alles ist Spur, falls man keine findet oder nur Spuren findet. Die Männer hinterlassen die tiefsten, die meisten Spuren, die eindrücklichsten, die bleiben, welche Verbrechen sie auch begehen. Was sie tun, das bleibt, ob Johannes Brahms oder El Greco. Eine Plastik heißt: die Leere wegräumen (oder so ähnlich). Die Idee schläft im Stein und muß nur noch befreit werden. Ja, auch Michelangelo steht zur Verfügung, inzwischen einer wie alle, wie alles andre, Konserven, Unterhosen, der Louvre, der Prado. Die Frau aber bleibt nicht, sie bleibt übrig und liest die Spuren, als gäbe es niemand mehr, der sie ihr streitig machen könnte, und es gibt auch niemand mehr. Sie muß sich ihrer eigenen Existenz selbst versichern, was sie mit großem Gleichmut, der nicht gleich Mut ist, weiterzumachen, auch tut, nicht, indem sie die Leere ringsherum wegräumt, sondern indem sie sie untersucht, nein, nicht untersucht. Man weiß es nicht. Etwas ist da und wird angeschaut oder benützt. Es wird nach Anschauen oder Benützen sortiert. Botschaften werden mit einem Stock in den Sand geschrieben, die Annahme ist wahrscheinlich falsch, daß Homer eine Frau war. Die Annahme spricht selbst, dafür oder dagegen. Die Botschaften werden in erfundenem Griechisch mit einem Stock, einem Zweig, in den Sand geschrieben. Das wird nicht lange bleiben. Der Sand schon.
    Die Frau, die geblieben ist, sieht die Tatsachen, die geblieben sind, die Relikte der Männer (und diese Relikte sprechen gleichzeitig von ihrer Ausführung, das Wie ist es, das zählt, das Nichts ist weggeräumt, das Etwas ist entstanden, aber wie? Darauf kommt es an, auf die Ausführung kommt es an, wenn alles noch da ist, sonst aber niemand), war Homer eine Frau? Nein, Homer kann keine Frau gewesen sein, obwohl manche das behaupten, niemand kann eine Frau gewesen sein, weil niemand, ist er eine Frau, Spuren hinterlassen hätte, aber als Leserin dieser Spuren ist noch ein Stück Frau vorhanden, offensichtlich, ist im Angebot, auch auf den Spuren des Trojanischen Krieges befindet sie sich, es steht ihr ja alles zur Verfügung, das sie nicht gemacht hat (nur zwei Tage Fahrt von Griechenland nach Troja – Hisarlik heute – und deswegen mußten sie die arme Iphigenie in Sachen günstigerer Wind opfern? Da wären sie vielleicht auch mit dem Tretboot hingekommen, hätten sie so was gehabt, um überall entlang der Küste ihre Wachtfeuer zu entflammen, als verderbliche Zeichen. Ohne Ernährung des Feuers:
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