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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich
Autoren: Diana Raufelder
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steht Ri da. Ihr Atem stockt und ihr Herz klopft wieder wie wild. Sie kann nichts denken. Ruf ihn, sagt eine innere Stimme, aber es kommt kein Ton aus ihr heraus.
    Schon braust das Auto an ihr vorbei. Ri kann gerade noch erkennen, dass auf der Tür ein schwarzer Stern und ein schwarzer Halbmond kleben. Zufall? Unmöglich! Das ist Ben! Jetzt ist sich Ri sicher.
    Trotz der klirrenden Kälte ist ihr furchtbar heiß. Nur die Hände sind blau und steifgefroren. Langsam kommt sie wieder zur Besinnung. Das ging alles viel zu schnell!
    „Nicht mal das Kennzeichen habe ich erkennen können“, verflucht sich Ri selbst. „Wie kann man nur so blöd sein?“
    Ihr Herz klopft so stark, dass sie die ganze Maaßenstraße bis zum Nollendorfplatz rennt – so schnell sie kann – und ihre Lungen sie im Stich lassen. Völlig aus der Puste erreicht sie den U-Bahnhof.
    In der U2 Richtung Pankow drückt Ri sich in die Ecke der langen Sitzbank. Im Wagen ist es furchtbar heiß. Die Luft steht. Sie kann kaum atmen. Am liebsten würde Ri laut schreien! Aber was würden die anderen Fahrgäste dazu sagen?
    Sie kann sich nicht beruhigen. Ben ist hier, denkt sie. Hier in der Stadt! Hier bei mir!
    Ein Stern und ein Halbmond.

Rosenkohl und ein Streit mit dem Pinguin
    „Dass du überhaupt noch nach Hause kommst!“ Kopfschüttelnd steht Ris Mutter in der Küche über die Spüle gebückt und putzt Salat. Als Ri zur Tür hereingekommen ist, hat sie nicht einmal aufgeschaut.
    „Meinst du, ich habe mehr Lust nach Hause zu kommen, wenn du mich so herzlich empfängst?“, fragt Ri sarkastisch, aber da schwingt auch ein bisschen Traurigkeit in ihrer Stimme mit. Verloren lehnt sie am Türrahmen zur Küche.
    Warum musste alles bei ihr zu Hause nur so kalt und deprimierend sein? Die blanken weißen Fliesen überall, die akribische Ordnung ihrer Mutter und die sterilen Designer-Stahl-Glas-Möbel verhöhnen Ri mit stummen Schreien – wie hässliche Fratzen.
    „Willst du dich nicht ausziehen?“
    Verwundert schaut Frau Lehmann jetzt ihre Tochter an, die immer noch in ihrem Wintermantel mit der dicken Wollmütze und der Schultasche im Türrahmen steht und vor sich hinstarrt.
    „Was in deinem Kopf nur immer vorgeht!“
    Ri zieht ihren Mantel aus, hängt ihn mit der Mütze an die Garderobe und schlüpft aus ihren Stiefeln. Dann rutscht sie auf ihren Socken über die Fliesen in die Küche bis zum Waschbecken.
    „Du sollst deine Hände doch nicht immer in der Küche waschen!“,
    schimpft ihre Mutter.
    Ri verdreht die Augen, schüttelt schnell das Wasser von ihren Händen und trocknet sie an einem blaukarierten Geschirrtuch ab.
    „Was ist denn an dem Waschbecken in der Küche anders als im Badezimmer?“, will Ri wissen, aber just in diesem Moment schließt Ris Vater die Haustür auf und steht im Flur.
    „Saukälte heute, was?“ Er klopft die wenigen noch nicht getauten Schneeflocken von seinem Hut.
    „Also ich finde den Schnee eigentlich ganz schön“, entgegnet Ri trotzig.
    Aber Herr Lehmann übergeht Ris Bemerkung einfach. Als hätte sie gar nichts gesagt. Als hätte niemand etwas gesagt.
    Jetzt zwängt er sich auch noch in die enge Küche und drückt Ris Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Blitzschnell verschwindet Ri in den Tiefen des Küchenschranks, kramt nach den Tellern und entkommt so geschickt seiner Kussattacke.
    Fast wie eine Bilderbuchfamilie, denkt Ri, als sie zu dritt um den gedeckten Tisch sitzen. Billige Fassade.
    Frau Lehmann häuft einen riesigen Berg Rosenkohl auf Ris Teller, sodass Ri schon vom Hinsehen schlecht wird.
    „Ich hab keinen Hunger! Und schon gar nicht auf Rosenkohl!“
    Wegen der ganzen Aufregung um Ben hat Ri ganz vergessen, an Essen zu denken. Es fällt ihr schon schwer genug, so ruhig dazusitzen, während es in ihr brodelt. Am liebsten würde sie auf der Stelle aufspringen, in die Nacht hinausrennen und nach Ben suchen.
    „Du musst doch etwas essen, Kind!“, drängelt jetzt ihre Mutter.
    Auch ihr Vater beäugt sie kritisch. „Wie viel wiegst du denn noch? Du bist ja schon magersüchtig!“
    „Quatsch!“, ruft Ri. „Ich habe einfach keinen Hunger! Außerdem wisst ihr genau, dass ich keinen Rosenkohl mag!“
    Unter den Blicken ihrer Eltern steckt Ri sich demonstrativ eine große Kartoffel in den Mund und würgt sie hinunter, obwohl ihr doch schon ein riesiger Ben-Kloß im Hals steckt.
    Das Klingeln des Telefons zerreißt schließlich die Spannung am Küchentisch.
    „Immer beim Essen“, stöhnt Frau
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