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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden
Autoren: Carlos Salem
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dich tun kann. Ruf mich in einer halben Stunde noch mal an.«
    »Okay.«
    Ich knalle den Hörer auf die Gabel. Und atme dann tief ein. Wut ist vollkommen fehl am Platz. Ich muss freundlich, aber bestimmt bleiben.
    Als ich mich umsehe, entdecke ich die junge Frau, die sich über Hardys hartes Gerammel beklagt hatte, in einem Café auf der anderen Straßenseite. Vor sich einen Campari, lächelt sie mir zu. Ich lächle zurück. Das brauche ich jetzt einfach. Die Wartezeit werde ich damit überbrücken, mit der Hübschen etwas Rotes, Starkes zu trinken. Und ich mache ein Date mit ihr aus – zu dem ich natürlich nicht gehen werde.
    Aber ich habe noch einen Anruf vor mir. Und um den komme ich nicht herum.
    Ich wähle. Grüße. Nenne meinen Namen.
    »Ah, du bist’s, Juanito.« Leticias Stimme klingt misstrauisch. »Du kommst mir jetzt hoffentlich nicht mit irgendwelchen Sperenzien.«
    »Ehrlich gesagt, es …«
    »O nein, Juanito, diesmal nicht!«, fährt sie mir in die Parade. »Heute Abend holst du deine Kinder ab. Die denken nämlich bald, sie hätten gar keinen Vater. Und ich warne dich: Wenn du mich hängenlässt, siehst du sie nie wieder. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, natürlich, Leticia. Aber es würde sich nur um einen, maximal zw…«
    »Nicht mal ’ne halbe Stunde, Juanito! Ich verreise heute Abend. Damit du es nur weißt!«
    »Das klingt mir sehr nach einem Kerl …«
    »Genau. Und er ist ein absoluter Traummann. Wir fahren zusammen in den Urlaub. Für einen ganzen Monat.«
    »Okay, okay, ist ja schon gut. Was machen die Kinder?«
    »Oh, die sind ganz aus dem Häuschen, weil sie glauben, superaufregende Ferien mit dem langweiligsten Phantomvater der Welt zu verbringen.«
    »Du hast dich nicht immer mit mir gelangweilt, Leticia.«
    »Das waren noch andere Zeiten, Juanito. Damals hattest du noch Ambitionen, wolltest etwas aus deinem Leben machen und konntest auch mal Nein sagen. Was ist es denn diesmal? Eine Eillieferung Windeln für ein Krankenhaus in Barcelona? Oder vielleicht ein Posten Slipeinlagen, den du vorher noch nach Asturien bringen musst?«
    Sie verspottet mich. So wie immer in letzter Zeit. Ich weiß nicht mal mehr, wann sie damit angefangen hat.
    »Keine Bange, Leticia. Ich werde dir deinen Liebesurlaub nicht verderben.«
    »Das kannst du gar nicht, Juanito. Nicht mehr. Um neun stehst du hier auf der Matte, verstanden? Und wehe dir, wenn nicht! Dann kriegst du den Stress deines Lebens, das schwör ich dir!«
    Sie legt auf. Und ich sehe rot.
    Camparirot.
    Die Kleine sagt, sie heiße Montse, sei Designerin und ungebunden und stamme ursprünglich aus Bilbao. Vielleicht lügt sie aber auch, so wie ich, denn ich stelle mich ihr als Tony vor, Manager in einem großen Forschungslabor, geschieden und aus Valladolid. Ich flirte ein wenig mit ihr und frage sie irgendwann, ob sie am Abend schon etwas vorhat, ich fände Madrid im Sommer nämlich ziemlich rammdösig. Sie kapiert es nicht gleich. Es dauert fast eine Minute, bis bei ihr der Groschen fällt. Das ist für mich eindeutig zu lang, selbst bei solch klasse Beinen.
    Während sie eifrig einen Plan malt, wie ich in ihre Lieblingsbar im Huertas-Viertel komme, wo sie mich um Mitternacht treffen will, bitte ich den Kellner um die Rechnung.
    Ein dringendes Telefonat, sage ich entschuldigend und stehe auf. Worauf sie verwundert fragt, warum ein Manager wie ich kein Handy benutzt.
    »Ich hab schon eins, aber ich mag es nicht besonders«, entgegne ich. »Sie klingeln immer im falschen Moment.«
    Da blinzelt sie mir zu, als hätte ich eine sexuelle Anspielung gemacht, steht dann ebenfalls auf, nimmt ihre Handtasche und geht mit wiegendem Gang davon.
    Ihre Skizze in der Hand, sehe ich ihr diesmal nur noch aus purer Höflichkeit nach. Der nächste Papierkorb steht direkt neben dem öffentlichen Telefon.
    Nummer Zwei wirkt erleichtert.
    »Alles in Ordnung, Nummer Drei. Du kannst ruhig in Urlaub fahren. Nur vergiss nicht, dein Handy mitzunehmen.«
    »Und die Badehose.«
    »Natürlich. Pack aber auch die Musterkollektion ein. Kann sein, dass wir dich in der Zeit doch brauchen.«
    Die »Musterkollektion« ist ein Koffer mit zwei Waffen, einer langen und einer kurzen, jeweils mit Schalldämpfer, sowie jeder Menge tödlichen Zubehörs, das die FIRMA uns für unsere Aufträge zur Verfügung stellt.
    Die Sommerferien werden folglich nicht so, wie ich sie mir erträumt habe.
    Träume sind Schäume.
     

03
     
    Die Kinder schlafen auf der Rückbank ein, während wir
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