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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
Autoren: Carl Hanser Verlag
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wurde.
    Der Boden unter seinen Füßen wurde matschig, die zu großen Stiefel blieben ständig im Dreck stecken und erschwerten seinen Gang. Der Mund schnappte ein paar Regentropfen auf. Er summte ein Lied. Das hatte er früher immer getan, um sich Mut zu machen.
    »Pfronten im Allgäu«, murmelte er und der Gedanke an Elli ließ ihn weiterlaufen. Dabei begann er, sich eine Geschichte zu erzählen, so wie er Elli immer Geschichten erzählt hatte. Nur damals waren es die von Hund, Esel und Hahn, die sich auf den Weg machten. Jetzt war es seine Geschichte, die Geschichte von einem, der unterwegs war ...
    Er war einer, den sie überfallen hatten auf dem Weg zu seiner Familie. Geld, Papiere, alles weg. Sie hatten ihn einfach liegen lassen. Die frische Narbe auf seiner Stirn – die eigentlich aus Brauweiler stammte – zeugte davon. Seine Mutter war aus Köln evakuiert worden, weil es dort Bomben regnete. Und er hatte eine Schwester und eine Oma. Und Opa Tesch. Alle waren in Pfronten, im Allgäu. Und da wollte er hin.
    Es war eine gute Geschichte. Sie stimmte fast. Bis auf die Tatsache, dass es die Nazibande gewesen war, die ihn so zugerichtet hatte.
    Um wach zu bleiben, setzte er sich Ziele: bis zu diesem Baum musst du es schaffen. Dann bis zur nächsten Gabelung ...
    Er hielt die Augen weit auf, spähte um sich, ob Soldaten kämen oder Tiefflieger über ihm auftauchten. Hier am Waldrand könnte er leicht Deckung finden.
    Plötzlich hörte er ein Knacken. Wie angewurzelt blieb er stehen. Da, irgendwo im Wald, war jemand. Ein Tier, ein Mensch? Soldaten? Wieder das Knacken von Ästen, Rascheln von Laub. Jetzt kam es näher. Er hielt die Luft an und lauschte, war gerade dabei, sich zu verkriechen. Ein Hase schoss an ihm vorbei, gejagt von einem Hund. Bastian erkannte sofort, dass es nicht einer von den scharfen Polizeihunden war, sondern ein Hofhund. Mit langen Schlappohren und einer gewissen Tollpatschigkeit jagte er dem Hasen nach, für den es ein Leichtes war, diesem trotteligen Hund zu entkommen. Den Hund hätte er gerne gepackt und einfach mitgenommen. Er wünschte sich einen treuen Begleiter. Aber er war schon verschwunden. Bastian lächelte.
    Da merkte er, dass sich hinter ihm ein Gefährt näherte. Verflixt, er hatte nicht aufgepasst. Hatte sich von Hund und Hase ablenken lassen.
    Neben ihm hielt ein rostiger, alter Lieferwagen. Die offene Ladefläche war mit Kohle beladen. Der Fahrer kurbelte die Scheibe herunter. »Willst du mitfahren?« Eine warme, feste Stimme, aus einem Gesicht mit verknittertem Lächeln. Der Mann sah freundlich aus.
    Er dachte an Ziegen. Der hatte auch erst freundlich ausgesehen. Sein Gesicht war ohne Spuren von Hass gewesen.
    Seitdem wusste Bastian, dass man Gesichtern nicht trauen konnte. Zumindest in einer solchen Zeit konnte man kein gutes von einem bösen Gesicht unterscheiden.
    »Na, willste? Für immer kann ich hier nicht stehen bleiben.« Die Stimme neben ihm wurde ungeduldig.
    Und während Bastian nickte und sich mit all diesen Gedanken im Kopf neben den Mann ins Führerhaus quetschte, stieß der ihn an: »Kannst wohl nicht sprechen?«
    »Doch, doch«, beeilte sich Bastian.
    »Wohin geht’s denn?«
    »Nach Süden.« Bastian zeigte in die Richtung, wo ihm der Himmel heller schien. Und er war für einen Augenblick zufrieden. Der Wagen fuhr stotternd los und die Straße unter ihm schob sich Meter für Meter vor, ohne dass er seine müden Füße dafür bemühte. Erleichtert atmete er auf.
    »Wohin fahren Sie?«
    »Wenn du willst, kann ich dich bis Remagen mitnehmen. Da ist die nächste heile Brücke.« Er bat den Fahrer, ihn kurz vor der Stadt herauszulassen. Er wollte Ortschaften umgehen. Da gab es zu viele Wachposten, die seine Papiere sehen und sich niemals seine lange Geschichte anhören würden. Und die vielleicht schon wussten, dass da einer, so alt wie er, auf der Flucht war.
    Während Bastian vor sich hin grübelte, roch er, dass der Mann wohl Äpfel hinter den Sitzen stehen hatte. Er schaute sich um: zwei Körbe voll. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, aber er fragte nicht. Er war froh, nicht mehr laufen zu müssen. Und erlaubte sich, seinen Kopf einfach mal fallen zu lassen und für kurze Momente die Augen zu schließen.
    Irgendwann schüttelte der Fahrer Bastian an der Schulter. »Wir sind gleich in Remagen«, sagte er.
    Sofort war Bastian hellwach und richtete sich auf.
    »Ich muss weiter«, murmelte er, »können Sie mich da an der Gabelung rauslassen?«
    »Wollte
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