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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Autoren: Astrid Herbold
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gerne. Nur, wie soll das gehen, ohne Kindergartenplatz. Und bei einer Tagesmutter weiß man nie, an wen man da gerät.«
    Er: »Und teuer sind die. Rechne das mal auf einen Monat hoch. Da würdest du nur für die Betreuungskosten arbeiten.«
    Sie: »Außerdem, bei den vielen Allergikern in eurer Familie muss ich mindestens sechs Monate voll stillen. Da wäre das mit der Fremdbetreuung eh voll der Stress.«
    Er: lächelt zustimmend, streichelt liebevoll erst ihre Wange, dann ihren Bauch, schaltet dann die Nachrichten ein.
    Sie: macht ihr fünftes kleines Nickerchen an diesem Tag, während Marietta Slomka im Hintergrund die wichtigsten weltpolitischen Ereignisse des Tages verliest.
    Was waren sie doch für ein harmonisches, kommunikatives Paar. Wie einmütig und unkompliziert sie die Versorgung des Kindes geregelt hatten – vorbildlich! Sie würde eine Weile zu Hause bleiben. Anders ging es eben nicht. Und auch wenn das von außen nach klassischer Rollenverteilung aussah – davon konnte natürlich überhaupt keine Rede sein. Er würde sich schließlich auch um Kind und Haushalt kümmern – nach Feierabend, am Wochenende und im Urlaub. Und nur weil sie in der ersten Zeit das Kind tagsüber vorübergehend allein betreute, war sie ja wohl noch lange keine Hausfrau. Nein, sie überbrückte lediglich die ersten Lebensmonate, bis das Kind in einem fremdbetreuungsfähigen Alter war. Und ganz ehrlich: Die Arbeit hatte sowieso nicht mehr so richtig viel Spaß gemacht in letzter Zeit. Bezahlung und Perspektiven waren mittelmäßig und die Kollegen gingen ihr an manchen Tagen mächtig auf den Geist. Dazu noch der Chef, also, eine gute Führungskraft war der nicht gerade. Immer nur mürrisch, und gelobt wurde man auch nie. Und wie er sie letztens wegen dieses verpatzten Mailings angemault hatte. Dabei hatte er den Text ja wohl freigegeben. Was konnte sie denn dafür, wenn immer alles auf den letzten Drücker passieren musste.
    Jetzt warteten lebenswichtigere Aufgaben auf sie. Ein Baby. Ihr Baby. Das gemeinsame Wunschkind. Dem sie die Ankunft in dieser Welt so kuschelig und sanft wie möglich gestalten wollte. Für diese schöne Zeit, die sicher viel zu schnell vorbeiging, hatte sie sich schon viel vorgenommen. Babyschwimm- und -still- und -krabbel- und -spiel- und -turn- und -sing- und -bastel-Gruppen wollte sie besuchen, um das Kind best- und frühstmöglich zu fördern. Und die verbleibende Zeit zwischen den Kursen würde mit dem Kochen von ausgewogenen und hochwertigen Babymahlzeiten – natürlich nur mit: Gemüse vom Biobauernhof, Fleisch vom Biometzger, Brot vom Biobäcker und Nudeln vom Bio-Italiener – ebenfalls reichlich ausgefüllt sein. Das war vielleicht ein bisschen aufwändiger als Teletubbies und Fertignahrung, aber sie wollte sich später nicht vorwerfen müssen, es hätte dem kindlichen Hirn in den entscheidenden ersten Jahren an Vitaminen oder anregenden Reizen gemangelt.
    Und außerdem – das weiß doch jeder! – schlafen Babys am Anfang ziemlich viel. Da könnte sie doch gut ein bisschen von zu Hause aus arbeiten. Nur ein paar Stunden die Woche, das ließe sich sicher einrichten. Nach der Geburt, wenn sie dann viel Zeit hatte, würde sie sich mal darum kümmern. Jetzt war es gerade schlecht, es gab ja noch so viel zu erledigen: Wickeltisch kaufen, Windelvorräte anlegen, Stillbücher lesen, im Namensbuch blättern, kreative Geburtsanzeigekarten entwerfen, Strampler und Bodys waschen, bügeln, nach Größen und Farben sortieren, die Babywiege aufstellen, beziehen, sich umentschließen, wieder abziehen, noch mal neu beziehen. Sich gemütlich bummelnd und Eis essend in der Stadt über aktuelle Trends auf dem Kinderwagenmarkt informieren, alle Kinderwagen außer dem eigenen hässlich finden, vor allem aber diese obersüßen klitzebitzekleinen weißen Babysöckchen Stunde um Stunde versonnen anstarren …
    Am Ende von einundvierzigeinhalb langen Wochen – wobei die letzten eineinhalb trotz ausgiebigen Sockenanstarrens die unerträglich längsten ihres Lebens waren – wurde sie mit einer Fülle von Fehleinschätzungen über ihr zukünftiges Beziehung-mit-Baby-Leben in den Kreißsaal gerollt:
    1. Kinder kriegen ist gar nicht so schlimm, wie immer alle sagen.
    2. Und den Bauch kriegt man hinterher ganz einfach mit ein paar Sit-ups wieder flach.
    3. Stillen ist die natürlichste Sache der Welt, deshalb auch gar nicht schmerzhaft, und schadet der Fülle und Spannkraft einer weiblichen Brust nicht im
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