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Wir sehen uns in Paris

Wir sehen uns in Paris

Titel: Wir sehen uns in Paris
Autoren: Brigitte Kolloch Elisabeth Zöller
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der Garderobe und zieht sich die Sandalen aus. In der Wohnung ist es ganz still – keiner da. Das ist um diese Tageszeit normal. Mama und Papa arbeiten, und Ben, ihr Bruder, ist wahrscheinlich bei seinen Freunden.
    In ihrem Zimmer stellt Hannah die Tasche an den Schreibtisch und reißt das Fenster auf. Von hier aus hat sie einen guten Blick auf den großen Innenhof. Sie schaut in die Krone der riesigen Kastanie. Ihr gefällt es, wie Licht und Schatten in den Blättern miteinander spielen.
    Hannah schaut auf ihren Wecker. Gleich ist es 17:00 Uhr. In einer Stunde müsste Mama von der Arbeit kommen. Sie hat einen kleinen Buchladen, gar nicht weit von hier, den sie zusammen mit ihrer Freundin Ilse betreibt – die Schatzinsel . Und Ben müsste auch bald da sein. Ihr Bruder bringt oft ein paar Freunde mit. Sie sitzen dann gern zusammen am großen Tisch in der Küche.
    Ihre Eltern mögen es, wenn ordentlich Betrieb ist. So sagt es Papa immer. Er ist Reporter bei einer großen Zeitung und hat immer viel zu erzählen. Er arbeitet für den Lokalteil. Klatsch und Tratsch, aber auch Kriminalgeschichten und Sport sind seine Aufgabengebiete. Fotos macht er ebenfalls. Wenn er es schafft, nimmt er sich am frühen Abend immer Zeit für eine ausgedehnte Pause mit seiner Familie, denn abends hat er meistens noch Termine.
    Hannah weiß, was sie an ihren Eltern hat. Sie sind zwar immer sehr beschäftigt, aber nie so sehr, dass sie sich für die Sorgen und Nöte ihrer Kinder keine Zeit nehmen könnten. Hannah hat immer das Gefühl, dass ihre Eltern sie für voll nehmen. Wenn sie mal über Probleme sprechen, dann reden sie mit Ben und ihr wie mit zwei vernünftigen Menschen.
    Isabella ist darauf manchmal richtig neidisch. »Du hast es gut«, jammert sie dann und verdreht die Augen. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass Isabella von Astrid mal wieder genervt ist.
    Isas Mutter ist wirklich komplizierter. Aber, klar, sie hört sich jeden Tag die schmerzlichen Geschichten von Menschen an, denen sie oft nur einmal im Leben begegnet. Bei so viel geballter Trauer kann man schon merkwürdig werden.
    »Deine Eltern vertrauen dir«, sagt Isabella. »Und sie trauen dir etwas zu, auch wenn du mal was Neues ausprobierst. Wenn es nach meiner Mama ginge, wäre jeder Tag gleich: aufstehen, Schule, Hausaufgaben, eine halbe Stunde fernsehen, noch mehr Hausaufgaben. Abendbrot. Und Zähneputzen nicht vergessen. Und das jede Woche, jeden Monat. Bloß nicht ausbrechen aus dem Trott. Das ist nicht nur langweilig, das ist ätzend. Mama gibt sich ja schon alle Mühe, aber sie ist der totale Kontrollfreak. Ich meine: Hallo? Ich werde bald 13! Irgendwie hat Mama das noch nicht ganz mitgekriegt.«
    Isabella kann sich bei dem Thema richtig in Rage reden. Meistens bekommt sie dann auch noch zornig blitzende Augen. »Und das liegt nur daran, dass Mama jetzt so viel allein ist. Papa ist so ein Blödi. Sie hätten doch auch zusammenbleiben können, obwohl Papa in Paris ist. Oder?« Und dann muss Hannah immer nicken. Sonst flippt Isabella aus. Und sie hat ja auch recht. Auf jeden Fall findet Hannah das.
    Hannah schiebt die Gedanken an Isabella und ihre Familie einen Augenblick zur Seite und setzt sich an ihren Schreibtisch. Sie muss noch Hausaufgaben machen – Mathe und Deutsch. Etwas lustlos packt sie ihre Schultasche aus, legt Mäppchen und Matheheft auf den Schreibtisch und spitzt einen Bleistift.
    Sie hat ein ungutes Gefühl, wenn sie an Isabellas Pläne denkt. Isa wird sich wahrscheinlich nie daran gewöhnen können, dass ihr Vater einfach weggegangen ist. Auch wenn sie immer so tut. Dabei ist sie oft traurig. Und wütend, weil sie nichts dagegen machen kann. Niemand kann das.
    Hannah zieht das Drehbuch Nummer zehn aus ihrer Tasche. Der Mann in Schwarz. Der Außerirdische aus Saarbrücken, der im richtigen Leben Detektiv ist. Sie will es zu den anderen ins Regal stellen, da fällt ihr ein, dass noch ein paar Notizen fehlen. Spontane Ideen von Isabella, die sie sich noch unbedingt aufschreiben will. Die Visitenkarte des dünnen Mannes rutscht aus dem Buch und landet auf dem Boden. Hannah hebt sie auf und schiebt sie wieder zwischen die Seiten. Wer weiß , denkt sie und zückt den Stift. Wer weiß, ob wir die noch einmal brauchen.

Als Astrid Morgenstern am Abend nach Hause kommt, versucht Isabella, sich nichts anmerken zu lassen. Aber so ganz klappt es nicht. Als ihre Mutter sie schließlich beim Abwaschen fragt, warum sie so schweigsam ist, zuckt Isabella
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