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Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Titel: Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Autoren: David Bainbridge
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ein wildes Tier, das so großgezogen wird, durchaus länger als eines in freier Wildbahn, aber nicht sehr viel länger. Beispielsweise werden Schimpansen in Gefangenschaft etwa doppelt so alt wie in freier Wildbahn, aber das ist keine spektakuläre Verbesserung, wenn man Abnutzung und Verschleiß als entscheidende Todesursache zugrunde legt. In Wahrheit leben Tiere in schützender Gefangenschaft oft nur deshalb länger, weil sie nicht von ihren natürlichen Feinden getötet werden  – und nicht etwa, weil sie langsamer altern.
    Aber selbst die neueren Versionen dieser Theorie halten einer genaueren Prüfung nicht stand. Entgegen der Vermutung, eine hohe Stoffwechselrate würde eine kürzere Lebenserwartung bedingen, haben etwa Untersuchungen bei vielen unterschiedlichen Säugetierarten ergeben, dass zwischen Langlebigkeit und Stoffwechsel kaum ein Zusammenhang besteht. Und obwohl eine Reduzierung des Stoffwechsels durch reduzierte Nahrungsaufnahme durchaus die Lebenserwartung erhöhen kann, sind die tatsächlichen Auswirkungen uneinheitlich und so verschieden wie die Arten selbst.
    Weil die Wissenschaftler irgendwann vermuteten, beim Älterwerden könne es um mehr gehen als nur um die reine Abnutzung des Körpers, begannen sie innerhalb des Tierreichs nach Lebewesen Ausschau zu halten, anhand derer ein neues Verständnis von Alter und Tod möglich sein könnte. Tatsächlich wurden sie fündig, denn es gibt Tiere, die unsterblich sind. Das mag jetzt den einen oder anderen überraschen, doch Tatsache ist, dass Lebewesen, die sich durch Zellteilung fortpflanzen  – sich also in zwei Teile spalten  –, eigentlich ewig leben. Eine alte Amöbe ist von einer jungen nicht zu unterscheiden – sie muss ihre innere Apparatur ständig im Topzustand halten, um sich jederzeit in zwei voll funktionsfähige Nachkommen aufteilen zu können. Auch wenn die Sache ein klein wenig komplizierter ist als hier von mir angedeutet, gibt es bei Amöben im Grunde keinen Verfall. Altern bedeutet für sie nicht Abnutzung, die Jahre gehen quasi spurlos an ihnen vorüber. An ihrer Perfektion ändert sich überhaupt nichts.
    Die Unsterblichkeit scheint allerdings ihren Preis zu haben. Von größter Bedeutung dürfte sein, die inneren Abläufe dauerhaft in perfektem Zustand zu halten. Wenn die DNA einer Amöbe beschädigt wird oder in ihren proteinbildenden Mechanismen eine Störung auftritt, muss die Fehlfunktion rasch behoben werden,so dass kein weiterer oder größerer Schaden entsteht. Tritt ein solches Problem in einer unserer Körperzellen auf, dürfte man damit recht gefasst oder sogar nachlässig umgehen. Die Fehlfunktion einer menschlichen Zelle ist kein wirklich großes Problem, wohingegen man als Amöbe eben nur diese eine Zelle hat und alles tun muss, um die Situation rasch in den Griff zu kriegen. Aus dem Grund ist Unsterblichkeit extrem anspruchsvoll. Darüber hinaus sind unsterbliche Lebewesen meist asexuell, und asexuelle Fortpflanzung bringt in genetischer Hinsicht entscheidende Nachteile mit sich. Sex und Tod gehen also Hand in Hand – wir Menschen können es unseren Körpern erlauben zu verfallen, weil wir in der Lage sind, makellose Babys zu erzeugen, die heranwachsen und uns schließlich ersetzen, wenn wir sterben. Zugegeben, das klingt jetzt nicht sonderlich aufmunternd  – gerade in einem Buch über die positiven Aspekte des mittleren Alters.
    Als sich im 19.  Jahrhundert schließlich die Theorie der Evolution durch natürliche Selektion ausbreitete, gewannen die Wissenschaftler auch ein neues Verständnis des Alterns und des Todes – beides konnten sie von da an in einem neuen, viel freundlicheren Licht betrachten. Um genau zu sein, begannen sie sich zu fragen, ob sich der Tod von Lebewesen womöglich aus gutem Grund entwickelt hatte  – um die Verbreitung ihrer Gene zu begünstigen. Man kam zu dem Schluss, der Alterungsprozess müsse einsetzen, damit ein über die Maßen langes Leben nicht Ressourcen aufbrauchen würde, die ansonsten der nächsten Generation zur Verfügung stünden. So vernünftig die Vorstellung vom Altern als einer positiven Entwicklung auch klingen mag, ist sie doch nicht ganz unproblematisch. Zunächst einmal ist es keineswegs so, dass Tiere in freier Wildbahn hauptsächlich »aus Altersgründen« sterben, sondern vielmehr Opfer von Krankheiten, Unfällen oder natürlichen Feinden werden. Aus dem Grund würde ein Alterungsprozess keinen nennenswerten Vorteil für die Spezies
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