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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Autoren: Christiane F.
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anzogen. Nachher wussten wir natürlich nicht mehr so genau, wo wir den Kram herhatten, und schmissen ihn einfach irgendwo rein. Manchmal ließen wir auch was ganz Tolles mitgehen. Natürlich kam es raus, dass da unten jemand »eingebrochen« war. Aber uns schnappten sie nie. So lernte man also ganz automatisch, dass alles, was erlaubt ist, unheimlich fade ist und dass das Verbotene Spaß bringt.
    Das Einkaufszentrum, das unserem Haus gegenüberlag, war für uns auch mehr oder weniger verbotenes Viertel. Da war ein ganz wilder Hauswart, der uns immer scheuchte. Am wildesten war er, wenn ich mit meinem Hund in die Nähe kam. Er sagte, wir machten den ganzen Dreck im Einkaufszentrum. Es war wirklich stinkig da, wenn man genau hinsah und hinroch. Die Läden taten einer feiner und vornehmer und moderner als der andere. Aber die Müllkisten dahinter quollen ständig über und stanken. Man trat überall in geschmolzenes Speiseeis oder Hundescheiße und trat gegen Bierdosen und Coladosen.
    Der Hauswart da sollte das abends alles sauber machen. Kein Wunder, dass er den ganzen Tag lauerte, um jemanden zu erwischen, der Dreck machte. Aber gegen die Geschäftsleute, die den Müll neben die Kästen warfen, konnte er nichts machen. An die betrunkenen Halbstarken, die mit den Bierdosen rumwarfen, traute er sich nicht ran. Und die Omas mit ihren Hunden gaben ihm auch nur patzige Antworten. Da hielt er sich in seiner urischen Wut eben an die Kinder.
    In den Läden mochte man uns auch nicht. Wenn einer von uns mal Taschengeld bekommen hatte oder sich sonst Geld ergaunert hatte, dann ist er in den Kaffee-Laden, wo es auch Süßigkeiten gab. Und die anderen natürlich hinterher, weil das ein kleines Ereignis war. Die Verkäuferinnen hat das unheimlich genervt, wenn da ein halbes Dutzend Kinder in den Laden kam und dann das Palaver anfing, was für die paar Groschen gekauft werden sollte. Wir bekamen irgendwie einen Hass auf die Ladenbesitzer und fanden es gut, wenn jemand von uns sie beklaut hatte.
    Im Ladenzentrum gab es auch ein Reisebüro, da haben wir uns oft die Nasen an der Scheibe platt gedrückt, bis wir verscheucht wurden. Im Schaufenster standen herrliche Bilder mit Palmen, Strand, Negern und wilden Tieren. Dazwischen hing ein Flugzeugmodell. Und wir haben rumgesponnen, wir säßen in dem Flugzeug und flögen an diesen Strand da und kletterten auf die Palmen, von denen aus Nashörner und Löwen zu sehen waren.
    Neben dem Reisebüro war die »Bank für Handel und Industrie«. Damals haben wir uns noch nicht gewundert, was eine Bank für Handel und Industrie ausgerechnet in der Gropiusstadt macht, wo doch Menschen wohnen, die allenfalls von Handel und Industrie ihren Lohn bekommen. Wir mochten die Bank. Die feinen Herren in den schnieken Anzügen waren nie unfreundlich zu uns. Sie hatten auch nicht so viel zu tun wie die Frauen im Kaffee-Laden. Bei ihnen konnte ich die Pfennige in Groschen eintauschen, die ich meiner Mutter aus der Pfennig-Flasche geklaut hatte. Denn im Kaffee-Laden rasteten die aus, wenn man mit Pfennigen bezahlte. Und wir bekamen, wenn wir artig bitte sagten, immer wieder irgendein Spartier. Vielleicht dachten die netten Herren ja, wir brauchten so viele Spartiere, weil wir so fleißig sparten. Ich habe allerdings nie einen Pfennig da reingesteckt. Wir haben mit den Sparelefanten und Schweinen im Sandkasten Zoo gespielt.
    Als es immer doller wurde mit den Streichen bei uns, haben sie einen sogenannten Abenteuerspielplatz gebaut. Ich weiß nicht, was die Leute, die so was planen, unter Abenteuer verstehen. Aber wahrscheinlich heißen diese Dinger ja auch nicht so, weil Kinder da wirklich Abenteuerliches machen dürfen, sondern weil die Erwachsenen glauben sollen, ihre Kinder könnten da ganz tolle Sachen erleben. Eine Menge Kohle hatte das Ding sicherlich gekostet. Die haben jedenfalls ziemlich lange daran rumgebaut. Und als wir endlich draufdurften, da empfingen uns freundliche Sozialarbeiter: »Na, was möchtet ihr denn gern machen« und so. Das Abenteuer bestand darin, dass man auf diesem Spielplatz ständig beaufsichtigt wurde.
    Es gab richtiges Werkzeug und fein gehobelte Bretter und Nägel. Da durfte man also was bauen. Und ein Sozialarbeiter passte auf, dass man sich nicht mit dem Hammer auf die Finger kloppte. Wenn ein Nagel drin war, dann war er drin. Dann konnte man nichts mehr verändern. Dabei wollte man doch, noch ehe etwas fertig war, dass es ganz anders aussehen sollte.
    Ich habe so einem
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