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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Autoren: Christiane F.
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andere Sachen gemacht, ohne dass je ein Erwachsener gemeckert hätte. Ich begriff aber so ungefähr, dass man in Gropiusstadt nur spielen durfte, was von den Erwachsenen vorgesehen war. Also rutschen und im Sand buddeln. Dass es gefährlich war, eigene Ideen beim Spielen zu haben.
    Das nächste Zusammentreffen mit dem Hauswart, das ich erinnere, war schon ernster. Das kam so: Ich ging mit Ajax, meiner Dogge, spazieren und kam auf die Idee, für meine Mutter Blumen zu pflücken. Wie ich es in unserem Dorf früher fast auf jedem Spaziergang gemacht hatte. Es gab aber zwischen den Hochhäusern nur die mickrigen Rosen. Ich machte mir die Finger blutig, um ein paar Blumen von den Strauchrosen abzuknicken. Das Schild »Geschützte Gartenanlage« konnte ich noch nicht lesen oder habe es auch nur nicht kapiert.
    Ich verstand aber sofort, als ich den Hauswart schreiend und fuchtelnd über den nicht zu betretenden Rasen rennen sah. Ich bekam panische Angst vor dem Typen und rief: »Ajax, pass auf!«
    Mein Ajax spitzte natürlich gleich die Ohren, ein paar Nackenhaare gingen hoch, Ajax wurde steif und sah den Kerl mit den bösesten Augen an, die er machen konnte. Der Typ ging sofort rückwärts über den Rasen und wagte erst wieder zu schreien, als er vor dem Hauseingang war. Ich war froh, versteckte die Blumen aber, denn ich ahnte ja, dass ich wieder mal was Verbotenes getan hatte.
    Als ich zu Hause ankam, hatte die Hausverwaltung schon angerufen. Ich hätte den Hauswart mit einem Hund bedroht, hatten sie gesagt. Statt des Küsschens von meiner Mutti, das ich mir mit den Blumen hatte einhandeln wollen, gab es den Hintern voll von Vati.
    Im Sommer war die Hitze bei uns manchmal unerträglich. Die Hitze wurde regelrecht von Beton, Asphalt und Steinen gespeichert und zurückgestrahlt. Die paar mickrigen Bäume gaben keinen Schatten. Und der Wind wurde von den Hochhäusern abgehalten. Es gab weder ein Schwimmbad noch ein Planschbecken. Nur einen Springbrunnen mitten auf unserem Betonplatz. Da planschten und spritzten wir manchmal. War natürlich verboten und wir wurden auch immer schnell weggejagt.
    Dann kam die Zeit, da wollten wir Murmeln spielen. Aber wo findest du einen Platz in Gropiusstadt, auf dem man murmeln kann. Auf Beton, Asphalt oder Rasen Marke »Betreten verboten« kann man eben nicht murmeln. In der Sandkiste auch nicht. Denn zum Murmeln braucht man einen einigermaßen festen Untergrund, in den man kleine Löcher buddeln kann.
    Wir fanden eine beinah ideale Murmelbahn. Unter den Ahornbäumen, die sie bei uns gepflanzt hatten. Damit die Bäumchen nicht unter all dem Asphalt erstickten, hatte man für sie eine kreisrunde Öffnung im Asphalt gelassen. Der Kreis um den Stamm war aus fester, sauber und glatt geharkter Erde. Einfach ideal zum Murmeln.
    Nun hatten wir aber, wenn wir dort unsere kleinen Kuhlen zum Murmeln buddelten, nicht nur die Hauswarte, sondern auch noch die Gärtner auf dem Hals. Wir wurden immer wieder unter wüsten Drohungen vertrieben. Eines Tages hatten die Vertreiber aber leider eine gute Idee. Sie harkten die Erde nicht mehr glatt, sondern gruben sie um. Aus war es mit dem Murmeln.
    Bei Regen waren die Eingangshallen der Häuser eine fantastische Rollschuhbahn. Diese großen Hausflure wären jedenfalls fantastisch gewesen. Da unten keine Wohnungen waren, störte nicht einmal der Krach jemanden. Als wir es ein paarmal versuchten, beschwerte sich tatsächlich auch niemand. Bis auf die Hauswartsfrau. Die sagte, das Rollschuhlaufen mache Striemen auf dem Fußboden. War also auch nichts. Bis auf das Arschvoll von meinem Vater.
    Bei schlechtem Wetter war es echt beschissen in der Gropiusstadt für uns Kinder. Freunde durfte eigentlich niemand von uns mit in die Wohnung nehmen. Dazu waren die Kinderzimmer auch viel zu klein. Fast alle Kinder hatten wie wir das halbe Zimmer bekommen. Bei Regen saß ich manchmal am Fenster und habe daran gedacht, was wir früher bei Regen machten. Geschnitzt haben wir zum Beispiel. Wir waren richtig auf Regenwetter vorbereitet. Wir hatten uns im Wald dicke Stücke Eichenrinde geholt und daraus schnitzten wir bei schlechtem Wetter kleine Boote. Und wenn es zu lange regnete, hielten wir es nicht mehr aus. Dann zogen wir Regenzeug an und gingen runter zum Bach, um unsere Boote auszuprobieren. Wir bauten Häfen und machten richtige Wettfahrten mit unseren Booten aus Eichenrinde.
    Bei Regen zwischen den Hochhäusern rumzuhängen machte echt keinen Spaß. Wir mussten uns schon
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