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Wir Kinder Aus Bullerbü

Wir Kinder Aus Bullerbü

Titel: Wir Kinder Aus Bullerbü
Autoren: Astrid Lindgren
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fremden Men sehen, die gar nicht gut zu ihm waren. Er musste viel arbeiten, obwohl er so klein war, und er bekam so viel Prügel und so wenig zu essen, dass er schließlich das Ganze satt hatte und davonlief. Und er erlebte so viele Abenteuer, dass man es fast nicht glauben kann, bis er schließlich zu netten Menschen kam, bei denen er bleiben konnte.

    An einem Regentag, als Inga und ich bei Großvater saßen und ihm die Zeitung vorgelesen hatten, sagte Inga: »Großvater, erzähl von damals, als du weggelaufen bist.« »Ach, ach«, sagte Großvater. »Das habt ihr doch schon so oft gehört.«
    Aber wir lagen ihm so lange in den Ohren, bis er uns wieder davon erzählte. Als er fertig war, sagte Inga:
    »Es muss lustig sein wegzulaufen. Ich möchte auch mal weglaufen.«
    »Aber dann musst du doch erst böse Menschen haben, von denen du wegläufst«, sagte ich. »Das ist nicht nötig«, sagte Inga. »Man kann ja auch so weglaufen. Bloß ein kleines bisschen. Und dann bald wieder zurückkommen.«
    »O ja, das machen wir«, sagte ich, »aber nicht sehr weit.« »Was meinst du, Großvater«, fragte Inga, »findest du, dass wir es tun sollen?«
    Und Großvater sagte, wir könnten es ja tun, bloß ein bisschen. Und da beschlossen wir wegzulaufen. Es musste natürlich nachts geschehen und kein Mensch durfte es wissen. Wir baten Großvater, es niemandem zu erzählen, und das versprach er.
    Ich kann abends immer so schwer wach bleiben. Ich wusste also nicht, was ich tun musste, um nicht einzuschlafen, bis es Zeit zum Weglaufen wäre. Aber Inga sagte:
    »Schlaf du nur! Wir binden einen Bindfaden an deinen großen Zeh und lassen ihn aus dem Fenster hängen, und dann komme ich und ziehe daran, und du wachst auf.« Sie sagte auch, sie wolle Wacholdergrün pflücken und in ihr Bett legen, dann werde sie sicher wach bleiben können, bis die anderen eingeschlafen wären. Dann fragten wir Großvater, was man mitnehmen müsse, wenn man wegliefe, und er sagte, man müsse etwas zu essen mitnehmen und vielleicht etwas Geld, wenn man welches habe.
    Wir wollten schon in derselben Nacht weglaufen, so dass wir furchtbar viel zu tun hatten, alles zu besorgen. Ich ging zu Mama und bat um ein paar Butterbrote und sie sagte:
    »Was, bist du schon wieder hungrig? Wir haben doch eben erst Abendbrot gegessen.«
    Ich konnte ihr ja nicht erzählen, wofür ich die Butterbrote brauchte, und deshalb sagte ich gar nichts. Dann nahm ich ein paar Kronen von meinem Rübengeld und legte sie unter das Kopfkissen. Und dann holte ich einen langen Bindfaden, den ich um den großen Zeh binden wollte. Abends spielten wir alle Brennball und als es Schlafenszeit war, blinzelten Inga und ich uns zu und flüsterten: »Um halb elf.«
    Ich drückte Papa und Mama heftig, als ich gute Nacht sagte, denn ich dachte, jetzt würde ich sie wohl lange Zeit nicht sehen. Und als Mama zu mir sagte: »Morgen wollen wir beide Johannisbeeren pflücken«, tat sie mir furchtbar Leid, weil sie morgen gar kein kleines Mädchen mehr haben würde.
    Dann ging ich in mein Zimmer, band den Bindfaden um den einen großen Zeh, ließ das andere Ende aus dem Fenster fallen, und dann ging ich zu Bett und dachte, jetzt müsste ich mich beeilen, etwas zu schlafen, damit ich nicht allzu müde wäre, wenn es losging. Sonst schlafe ich immer ein, sobald ich den Kopf auf das Kissen gelegt habe. Aber an diesem Abend konnte ich gar nicht einschlafen. Ich strengte mich ordentlich an, aber immer, wenn ich mich bewegte, spannte sich der Bindfaden am großen Zeh. Und dann dachte ich
    daran, was Mama sagen würde, wenn sie am nächsten Morgen ins  Zimmer kam und merkte, dass mein Bett leer war. Sie tat nur so Leid, dass ich weinen musste. Ich weinte lange, lange.

    Plötzlich erwachte ich. Ich hatte so ein komisches Gefühl im großen Zeh. Zuerst konnte ich gar nicht begreifen, was los war. Aber dann fiel es mir ein: Da zog einer an dem Bindfaden.
    »Ja, Inga, ich komme«, rief ich, sprang aus dem Bett und stürzte ans Fenster. Und da war es hellichter Tag! Unten stand Lasse und zog an  dem Bindfaden. Nun wurde ich aber wütend. »Au! Au!«, schrie ich. »Lass das!« Aber Lasse zog. »Lass das bleiben!«, schrie ich. »Warum denn?«, fragte Lasse. »Weil der Bindfaden an meinem großen Zeh sitzt!«, schrie ich. Lasse lachte und sagte: »Da hab ich ja einen netten Fisch an der Angel.« Er wollte wissen, was der Bindfaden zu bedeuten hätte, aber ich hatte keine Zeit, es ihm zu erklären. Ich rannte zum
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