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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)
Autoren: Christoph Peters
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opercularis vorliegen wird.«
    »Meine Oma hat einen Dackel. Dessen Gedanken kreisen hauptsächlich ums Fressen und Besteigen. So sich denn jemand zum Besteigen findet. Ansonsten nimmt er auch gern Herrenschuhe. Meine Oma käme allerdings nicht auf die Idee , ihre täglichen Hundespaziergänge als wissenschaftliche Arbeit zu bezeichnen.«
    »Es gibt die Heilige Schrift und das Buch der Schöpfung. In beiden zeigt sich das Wirken Gottes.«
    »Siehst du , Bernhard , es ist genau , wie ich es dir gesagt habe: Unsere Versuche , ihm auch nur die elementarsten Grundlagen des Denkens zu vermitteln , waren völlig umsonst. Nach wie vor ist er nicht ansatzweise in der Lage , die verschiedenen Phänomene ihren jeweiligen Bereichen zuzuordnen. Das Paarungsverhalten seiner Fische steht für ihn erkenntnistheoretisch auf derselben Stufe wie die Summa des heiligen Thomas …«
    »Natürlich sehe ich den Unterschied …«
    »So? Dann erläutere mal.«
    »Bei Thomas von Aquin – überhaupt bei diesen ganzen perfekt aufgebauten philosophischen Systemen – geht es darum , daß bestimmte Dinge in der Wirklichkeit so sein müssen , wie es die Gesetze der Logik bestimmen , weil diese Gesetze eben absolut sind. Du würdest wahrscheinlich sagen: die Wahrheit. Was ich mache , ist das Gegenteil: Ich setze mich unvoreingenommen hin und schaue , wie zum Beispiel die Fische oder auch Vögel leben und welches übergeordnete System sich daraus ableiten läßt.«
    »Und wofür soll das dann relevant sein? Willst du den Fischen ihren Platz im göttlichen Heilsplan erläutern?«
    »Im Evangelium steht , daß kein Sperling auf die Erde fällt , ohne den Willen Gottes. Das heißt doch , alles , was geschaffen ist , ist so , wie es ist , von Gott gedacht und gemeint , und wenn ich es mir genau anschaue , kann ich etwas über Ihn erfahren.«
    »Mein Lieber , die Frage ist nicht , was du siehst , sondern wie du das , was du siehst , richtig deutest. Solange du nicht weißt , welche geistigen Prinzipien dem göttlichen Plan zugrunde liegen , wirst du mit hundertprozentiger Sicherheit in die Irre gehen. Die Welt der Erscheinungen ist viel zu komplex , als daß wir über die Beschreibung der Details zu einer brauchbaren Vorstellung des Ganzen kommen können. Wenn du aber das Gesamtbild nicht kennst , wie willst du dann wissen , an welche Stelle das jeweilige Puzzlestück gehört? Abgesehen davon , daß die Schöpfung uns infolge von Sündenfall und Vertreibung eben gar nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt gegenübertritt. Die Natur , die du beobachtest – von mir aus kannst du sie zeichnen , photographieren , sezieren , aber sie ist nicht das vollkommene Werk , das Gott dem Menschen im Anfang als Aufenthaltsort zugedacht hat. Sonst müßten wir ja Tod , Krankheit , Erdbeben , Vulkanausbrüche , das ganze Elend , dem wir hier ausgesetzt sind , dem liebenden Gott zuschreiben. Das hieße im Gegenzug , Gott wäre nicht mehr Dreifaltig-Einer , sondern das Böse , also ein aus seiner Geschöpflichkeit herausgehobener Satan , würde zum Vierten , und die Einheit bräche auseinander. An ihre Stelle träte antithetischer Dualismus , weil es ja – anders als zwischen dem Vater und dem Sohn – mit dem Satan keinen fortwährenden schöpferischen Austausch in Liebe gäbe , sondern der Kampf Gut gegen Böse würde aus dem Bereich der geschaffenen Zeit in den Urgrund des ewigen Seins verlegt. Du kannst das natürlich so denken , solltest dir aber darüber im klaren sein , daß du dich damit außerhalb der kirchlichen Lehre befindest. Fakt ist , daß wir – daß es der Mensch war , der mit seinem rebellischen Verhalten den Bund der göttlichen Liebe aufgekündigt und dadurch die gesamte Schöpfung in den Abgrund gerissen hat. Daß die Welt , in der wir leben , grausam und dunkel ist , beherrscht von Libido und Todestrieb , ist unmittelbare Folge des Ungehorsams der Stammeltern. Und weil jeder von uns bereits keimhaft in Adam enthalten ist – auch biologisch übrigens – , bist du mit deiner Verderbtheit von Anfang an mitverantwortlich dafür , daß die Welt in diesem verheerenden Zustand ist.«
    Carl spürt , wie ihm ein Kloß den Hals versperrt , daß er Mühe hat zu atmen.
    »Insofern solltest du in der Tat auf jede deiner Handlungen , sogar auf deine geheimsten Absichten achten , denn vom Standpunkt der Ewigkeit aus gesehen ist deine Bosheit , von der wir ja wissen , daß sie beträchtliches Potential hat , bereits Teil des adamitischen › Neins ‹ zum
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