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Wir haben gar kein Auto...

Wir haben gar kein Auto...

Titel: Wir haben gar kein Auto...
Autoren: authors_sort
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noch Tagebuch geschrieben habe, mein Magen sich vor Hunger zusammenkrampft und die rituellen Waschungen meines Lebensgefährten anscheinend immer noch im Gange sind, wird es mir zu blöd, und ich gehe runter ins Restaurant. Der liebe Reinhard sitzt mit zwei Freunden auf der Terrasse und entkorkt gerade einenSüdtiroler Weißwein. Auf dem Tisch stehen Teller mit italienischen Antipasti, dazu duftendes Brot mit Olivenöl und Salz.
    Â»Bedien dich«, fordert er mich auf, und das lasse ich mir nicht zweimal sagen.
    Wenig später erscheint Gerti mit tiefen, gefüllten Pastatellern, und während wir alle genüsslich essen, entspinnt sich ein erstaunliches Gespräch in einem Kauderwelsch aus Italienisch, Deutsch und Südtirolerisch. Die beiden Freunde sind Weltenbummler, die mit ihren Motorrädern monatelang durch Wüsten und über hohe Berge, Kontinente übergreifend, die Welt gesehen haben. Mir bleibt der Mund offen stehen während ihrer Schilderungen. Was ist unsere kleine Biketour angesichts dieser Abenteuer? Na ja, was soll’s, jeder fängt mal klein an. Als ich dann von unseren vergangenen sieben Tagen erzähle, können die beiden Harleyfahrer gar nicht fassen, warum wir uns solchen körperlichen Strapazen ausgesetzt haben, mit dem Motorrad wäre das doch einfacher zu machen gewesen. Ja mei, was soll ich dazu sagen?
    Die Abendsonne geht auf, und der glänzende, wohlduftende Bruno betritt die Terrasse.
    Â»Ich habe so meine Zeit gebraucht«, meint er.
    Zeit wovon oder Zeit wofür?, frage ich mich.
Der Abend wird lang und lustig, der Wein macht gute Laune, und wir fallen irgendwann gegen Mitternacht aufs Futon. Dieser riesige Raum unter dem Schlossdach, alles in feinstem, hellem Holz getäfelt, bis zum Giebel offen, Duftstäbchen, in Mandelöl getränkt, auf dem flachen Tisch vor dem Fenster, von dem aus man über den Park bis hinunter zur Stadt Meran blicken kann, hat eine seltsam beruhigende Ausstrahlung. Die zehn Futons, jeder einzelne breit genug, um zu zweit darauf zu schlafen, stehen jeweils rechts undlinks, durch weiße, zarte Vorhänge voneinander getrennt, an den Wänden des großen Saales. Alles ziemlich Feng-Shuimäßig, wie ich finde. Elegant und trotzdem auch schlicht und sehr geschmackvoll. Wir sind begeistert. Eng umschlungen sinken wir in einen zehnstündigen Tiefschlaf. Endlich angekommen!

7. September 2008
SIEBENEINHALBTER TAG
    Wir lagen förmlich im Koma, ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, mich in dieser Nacht auch nur einmal umgedreht zu haben, geschweige denn aufgestanden zu sein, um zur Toilette zu gehen. Gottlob, denn sicher hätte ich im Tran das ebenerdige Fenster mit der Türe verwechselt und wäre rausgesprungen, dann hätte sich mein nächtliches Problem erledigt. Liegt es am Feng-Shui, oder sind wir wirklich so fix und foxi, dass gar nichts mehr geht?
    Vorsichtig bewege ich die Glieder und versuche mich yogamäßig zu strecken. Grunzend dreht sich Bruno von mir weg. Hurra, er lebt noch!
    Mein Körper fühlt sich gut an, ausgeruht, ungestresst, einfach wohlig. Von wegen »Sport ist Mord«! Es muss an diesem Raum liegen, an der Energie, die ihm innewohnt. Ganz still bleibe ich liegen und konzentriere mich auf die Ausstrahlung, die von ihm ausgeht, lasse Gelborange meinen Körper durchfluten, wie eine Sonne, die in mir aufgeht. Ein Glücksgefühl durchströmt mich, ebenso eine herrliche Ruhe und Gelassenheit. Später beim Frühstück werde ich von Gerti erfahren, dass hier, in diesem Zimmer, Yoga und Meditationsmeister aus dem asiatischen Raum mehrmals im Jahr Seminare geben. Deshalb herrschen hier diese Stille und Besinnung.
    Ich muss es noch ein bisschen genießen, bleibe einfachlanggestreckt liegen und lasse die vergangene Woche Revue passieren. So schlecht haben wir blutige Radlanfänger das gar nicht gemacht, finde ich.
    Das Klingeln meines Handys reißt mich aus den Gedanken.
    Â»Ja, wo seid ihr denn? Fahrt ihr schon Richtung Meran? Wann kommt ihr denn an?« Mami ruft es geradezu ins Telefon, ganz aufgeregt ist sie.
    Oje, was sage ich denn jetzt? Schwindeln muss ich, schließlich kann ich ihr unmöglich gestehen, dass wir schon seit zwölf Stunden am Ziel sind. »Wir schlafen eigentlich noch«, flüstere ich morgenschwach. »Momentan sind wir so zirka fünfzehn Kilometer vor Meran in einer Pension.«
    Â»Ja, wo denn
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