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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord
Autoren: Camilla Ceder
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begonnen.
    Er wollte nur nicht auflegen, bevor er sicher war, dass sich Karin Beckman einigermaßen gefangen hatte. Sie kam so selten aus der Deckung und gestattete sich kaum mal, schwach zu sein.
    Aber nun war sie es, die das Gespräch abschloss. »Geh zurück zu deinem Mädchen«, sagte sie, »sie wartet sicher auf dich.«
    Tell stand verlegen mit den Schlüsseln in der Hand vor seinem Auto, ohne sich den letzten Ruck geben zu können.
    In seinem Kopf überstürzten sich die Gedanken und Fragen, doch er wusste, dass er nichts davon klären würde, solange er auf diesem Parkplatz stand und der Schnee immer entschlossener fiel.
    Schließlich steckte er die Schlüssel wieder ein und ging zurück durch die Drehtür. Den Mantel behielt er an, denn er wollte nicht lange bleiben. Aber er würde Seja persönlich Bescheid geben, dass er jetzt nach Hause fuhr.
    Und dass er wiederkommen würde.

Epilog
    Christian Tell sah sich um. Verglaste Wintergärten waren typisch für diese einstöckigen Einfamilienhäuser aus braunem Backstein. Pflanzen in allen Variationen. Einige kannte er noch aus seiner Kindheit. Leuchterblumen zum Beispiel und Pelargonien natürlich. Direkt unterm Dach schlängelten sich dunkelgrüne Ranken entlang. Vor lauter Wildwuchs ließ sich kaum erkennen, aus welchem Topf sie stammten.
    Nie im Leben kann Ann-Christine Östergren so einen grünen Daumen haben, dachte Tell und sah ihr Büro mit den leeren Fensterbrettern vor sich. Das muss ihr Mann sein.
    Der Garten hinterm Haus war nicht so pedantisch gepflegt. Zwar war der Rasen säuberlich gemäht, aber die Büsche wucherten üppig, und die Zypressen reckten sich Richtung Himmel. Hinter dem Gartengrundstück wiegten sich die Bäume eines Wäldchens, unterhalb dessen Askimsviken liegen musste.
    Aus der Küche hörte man, wie Gustav Östergren seiner Frau Vorwürfe wegen ihrer Anstrengungen machte. Sie wies seine Fürsorglichkeit gereizt zurück, entschuldigte sich aber im nächsten Augenblick. Tell lächelte traurig. Wenn es hart auf hart kam, wurde jede Beziehung auf die Probe gestellt.
    Bei seinem Eintreffen schien sie sich aufrichtig gefreut zu haben. Seit ihrer unbefristeten Krankschreibung hatten sie ja nicht mehr miteinander gesprochen. Und im Grunde eine ganze Weile davor auch schon nicht mehr richtig.
    Ihm war immer noch unwohl in seiner Haut. Als er das Haus gesehen hatte, wäre er am liebsten weitergefahren. Er hatte sich nicht telefonisch angekündigt, und es war noch so früh, vielleicht schlief sie noch.
    »Ich kann nicht lange bleiben«, waren lächerlicherweise seine ersten Worte, als Ann-Christine Östergren ihm die Tür öffnete.
    Er deutete verlegen auf seine Armbanduhr: »Du weißt schon.«
    Erst rührte sie sich gar nicht und blieb so ernst, als würde sie ihn nicht erkennen, da er so komplett aus seinem gewohnten Zusammenhang gerissen war. Doch dann sagte sie seinen Namen und lachte freundlich.
    Er merkte, wie ihn das freute. »Ich wollte bloß mal sehen, wie’s dir so geht.«
    Er trug einen neuen Anzug. Zerstreut zupfte er sich einen Fussel vom Hosenbein, zog dann eine Dose General-Schnupftabak aus der Tasche und steckte sie verlegen wieder ein.
    Als Ansporn hatte Seja ihm versprochen, ihn nach einem Monat ohne Zigaretten auf eine Last-Minute-Reise einzuladen, »irgendwohin, wo es warm ist«. Seja wusste ja gar nicht, wie lang so ein Monat sein konnte. Außerdem war es schon rührend, dass sie mit ihrem schmalen Geldbeutel ihn auf eine Reise einladen sollte. Aber er wollte gern mit ihr wegfahren. Allein das war die Quälerei schon wert.
    Gustav Östergren kam mit einer Thermoskanne in den Wintergarten. Bevor er sie auf den Tisch stellte, wischte er ein paar verwelkte Blätter vom Tischtuch.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, erbot sich Tell. Er kam sich vor wie ein Kind zu Besuch bei älteren Verwandten und spürte zum ersten Mal den Altersunterschied. Ann-Christine Östergren war nicht so viel älter als er, aber vieles in ihrem Heim erinnerte ihn an seine Eltern: das Hochzeitsfoto an der Wohnzimmerwand, die Braut mit der Sechzigerjahre-Bienenkorbfrisur. Der Bodenbelag aus Kunstrasen. Die Verandamöbel mit den weichen Kissen. Die Untersetzer aus Kiefernholz.
    Er fühlte sich auf einmal fremd gegenüber einer Person, mit der er jahrelang täglich eng zusammengearbeitet hatte. Für ihn war seine Chefin immer alterslos gewesen, weder alt noch jung, eine Frau mit Gedanken und Gefühlen, die nie etwas anderes als den Job betrafen.
    Plötzlich
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