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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord
Autoren: Camilla Ceder
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fragte er sich, ob sie selbst dazu beigetragen hatte, so gesehen zu werden.
    »Anki, bringst du die Zuckerdose mit?«
    Als Ann-Christine Östergren in ihrem letzten Gespräch nebenbei ihren Mann erwähnte, war Tell erstaunt, dass sie überhaupt verheiratet war. Und im nächsten Moment hatte er sich auch schon ein Bild von diesem Mann gemacht.
    Nun zeigte sich, dass Gustav Östergren überhaupt nicht der stattliche Rechtsanwalt oder Unternehmer im Ruhestand war, den Tell sich vorgestellt hatte. Und er hatte ihn schon einmal gesehen – vor ein paar Jahren, auf einem Weihnachtsfest des Gärtnervereins. Tell erinnerte sich, dass Carina seine Tischdame gewesen war, und ganz begeistert von diesem wenig attraktiven bärtigen Mann mit dem störrischen graumelierten Haar und den freundlichen Augen. Jetzt setzte er sich eine starke Brille auf die Nase und kontrollierte das Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Milch, bevor er sie in ein Kännchen goss.
    In diesem Moment kam Ann-Christine Östergren mit der Zuckerdose zurück. Sie ging sehr langsam, und Tell fragte sich, ob sie Schmerzen hatte.
    »Halten Sie mich nicht für unhöflich, wenn ich eine Weile in die Garage gehe«, sagte Gustav Östergren. »Ich hab da so ein kleines Projekt: Ich baue eine Geige. Allerdings ist noch nicht sicher, ob das Ding jemals fertig wird. Kommen Sie doch später kurz vorbei und schauen Sie sie sich an.«
    Er schlüpfte in ein Paar Holzpantoffeln und verschwand durch die Verandatür.
    Ann-Christine lächelte milde, wie zu sich selbst. »Er will uns nur ein bisschen allein lassen.«
    »Und er baut wirklich eine Geige? Beeindruckend«, bemerkte Tell.
    Sie nickte. »Davon hat er schon immer geträumt. Seit er nicht mehr arbeitet, hat er plötzlich Zeit dafür.«
    Einen Moment herrschte Schweigen. Eine Elster setzte sich auf das Holzdach vorm Fenster.
    »Du fehlst uns im Präsidium«, sagte Tell leise.
    »Danke. Ich muss sagen, mir fehlt die Arbeit nicht so sehr. Jedenfalls nicht so, wie ich gedacht hätte. Im Grunde war ich der Meinung, ohne den Job gar nicht klarzukommen. Ich dachte wohl: Solange ich arbeite, lebe ich auch. Wenn ich aufgehört hätte, wäre es mir vorgekommen, als würde ich dem Krebs recht geben. Und einfach nur noch aufs Sterben warten. Du weißt sicher, wie das ist: Wenn man seine Arbeit hat, weiß man, wer man ist. Im Job war ich sicher nicht überragend, aber kompetent. Hier zu Hause mache ich eigentlich nichts. Obwohl, ich hab sogar wieder angefangen zu lesen.«
    Sie strahlte. »Aber jetzt erzähl du! Was gibt’s Neues?«
    Tell hob ratlos die Arme. »Tja, was soll ich sagen. Vieles ist wie immer. Bärneflods Frau bildet sich ein, dass sie das ganze Team zu einem Abendessen zu sich nach Hause einladen will. Nun jammert Bengt, dass es doch wohl reicht, wenn er uns schon von Montag bis Freitag ertragen muss, jetzt soll er uns auch noch am Samstagabend in sein Haus bitten und Schnaps ausgeben.«
    Ann-Christine Östergren schüttelte lachend den Kopf. Tell hatte sie schon lange nicht mehr so fröhlich gesehen. Nachdem er sich einen Lebkuchen genommen hatte, brachte er sie weiter auf den neuesten Stand: »Gonzales hat einen Typ festgenommen, in dieser Vergewaltigungssache im Vasapark, bei der das Mädchen gestorben ist. Das Sperma stimmte überein. Und drei weitere Mädchen, die letztes Jahr Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet haben, konnten ihn auch als Täter identifizieren. Als er überführt war, hat er uns erzählt, dass sein Cousin auch einmal mitgemacht hat.«
    »Puh.«
    »Tja, aber jetzt sind sie dran.«
    Als er in die Hände klatschte, um zu unterstreichen, dass der Zug für die beiden Vergewaltiger endgültig abgefahren war, flog die Elster erschrocken auf. »Karin Beckman und Karlberg sind am Montag zu diesem Kurs gefahren, den sie schon zu Weihnachten machen sollten, wenn uns nicht der Jeep-Fall dazwischengekommen wäre ...«
    »Hm ... okay.«
    Ann-Christine Östergren biss in eine Zimtschnecke. Langsam und sorgfältig wischte sie sich die Krümel von ihrem hellblauen Pulli, und Tell nahm erst jetzt bewusst wahr, dass sie heute kein Schwarz trug.
    »... der jetzt übrigens abgeschlossen ist«, fuhr er eifrig fort, obwohl er das vage Gefühl hatte, dass sie ihm nur mit halbem Ohr zuhörte. »Das Messer, das man in Caroline Selanders Auto gefunden hat, ist zwar abgewischt worden, aber die Kriminaltechniker haben Spuren von Molins Blut am Schaft gefunden. Sie hat gestanden, als ihr klar wurde, dass sie überführt war.
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