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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord
Autoren: Camilla Ceder
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eines Rosenkranzes, wiesen ihm den Weg über die Hügel bis nach Olofstorp. Wenn er die Fabrik heute Abend mit einem Pappkarton voller persönlicher Gegenstände verlassen würde, hätte er gleich etwas zu erledigen. Irgendwie war dieser Gedanke ganz angenehm. Wie ein Beweis, dass das Leben mit dem letzten Arbeitstag nicht zu Ende ging.
    Das von Kristina prophezeite Unwetter blieb aus. Es hörte so abrupt auf zu schneien, wie es angefangen hatte. Er stellte die Scheibenwischer ab und schaltete das Radio ein, um das Geklapper des Auspuffs zu übertönen. Scheißkarre . Gerade fuhr er durch Olofstorp. Nach dem Heimatmuseum endete die Reihe der Straßenlaternen, und er befand sich wieder auf der Landstraße. Entnervt versuchte er, die beschlagenen Scheiben von innen abzuwischen und gleichzeitig eine Frequenz zu finden, auf der nicht zwei Radiostationen gleichzeitig sendeten.
    Mitten in dieser Demonstration seiner Multitasking-Fähigkeiten kam das Auto wieder ins Schleudern, und ein ohrenbetäubender Lärm ertönte. Fluchend manövrierte er das Fahrzeug von der Straße und schaffte es gerade noch bis zur geschlossenen Tankstelle. Trotz allem war er dankbar, dass er den Auspufftopf hier verloren hatte und nicht irgendwo zwischen zwei Dörfern.
    Im Kofferraum fand er ein ölverschmiertes Seil, mit dem sich das Auspuffrohr wenigstens bis zur nächsten Werkstatt notdürftig hochbinden ließ. Nachdem er diese Herausforderung gemeistert hatte, folgte er einer Eingebung und fuhr nicht Richtung Stadt, sondern auf einen Kiesweg, der von der Landstraße abzweigte. Der Weg führte über eine schmale Steinbrücke über das Flüsschen Lärjeån und schlängelte sich dann weiter durch die hügelige Landschaft.
    Vor ein paar Jahren hatten sie einmal ein Enkelkind über diesen Weg zu einem Spielkameraden gefahren, und er erinnerte sich nur vage, ein Stückchen weiter eine Autowerkstatt gesehen zu haben.
    Wie sich zeigte, musste er wesentlich mehr als nur ein Stückchen fahren. Hinter jeder Kurve eröffnete sich ein neues Straßenstück zwischen Äckern und Feldern, und er war froh, dass der Morgen dämmerte und er mittlerweile die Umrisse der Baumkronen ausmachen konnte.
    Es ist überhaupt nicht gesagt, dass die Werkstatt noch da ist, dachte er und bereute bereits seinen Entschluss. Doch als er um die nächste Kurve bog, fiel das Licht seiner Scheinwerfer auf einen baufälligen Schuppen. Das Wohnhaus gegenüber hatte auch schon bessere Tage gesehen, und auf dem Hof stand eine ganze Reihe von Autoleichen, aber das Metallschild mit der Aufschrift »Thomas Edell – Kfz-Werkstatt und Schrotthandel« hing noch.
    Erleichtert parkte er auf dem Hof zwischen zwei ramponierten Pick-ups. Er stieg aus und streckte die Beine, atmete in der eisigen Morgenluft tief durch und musterte das grauweiße Holzhaus. Keines der Fenster war erleuchtet. Doch aus einem Wellblechanbau hinter dem Schuppen fiel ein heller Lichtschein.
    Inzwischen war es nach sieben, und er wunderte sich nicht, dass hier schon jemand fleißig war. Ein anständiger Arbeiter beginnt sein Tagwerk in aller Frühe, davon war er schon immer überzeugt gewesen. Er räusperte sich und rief laut: »Hallo!«
    In der Werkstatt war weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Da ihm ein aufgebockter Nissan Micra die Sicht versperrte, machte er ein paar Schritte in die Garage. »Hallo?«
    Wo der Anbau in den alten Schuppen überging, befand sich ein Verschlag aus Sperrholzwänden, offensichtlich das Büro. Auch hier war niemand zu sehen, aber das Radio lief, und nach ein paar Sekunden erkannte er eine morgendliche Kuschelrocksendung. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er zu spät zur Arbeit und zu seiner eigenen Abschiedsfeier kommen würde und dass die Werkstatt wohl nicht besetzt war. Doch es widerstrebte ihm, mit seiner klappernden Schrottkarre weiterzufahren, also beschloss er, eine letzte Runde ums Haus zu drehen; vielleicht war ja doch jemand hier, der ihm helfen könnte.
    Später sollte er sich genau erinnern, wie ihn dieses ungute Gefühl beschlich. Vielleicht beunruhigte ihn ja der Gedanke an seine Verspätung und an Direktor Englund – aber da war noch etwas anderes. Als plötzlich eine schwarz-weiße Katze aus einem Kellerfenster sprang, bekam er fast einen Herzinfarkt. Eine Sekunde später fiel sein Blick auf den Mann, der an der hinteren Ecke des Schuppens auf dem Kies lag. Er musste gar nicht näher herangehen, um festzustellen, dass dieser Mensch überfahren worden war, und
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