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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord
Autoren: Camilla Ceder
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schwieg. Die ersten Sonnenstrahlen blendeten sie in den Außenspiegeln, als sie die Kurve etwas zu schwungvoll nahm. Åke hielt sich am Handgriff fest und warf ihr einen unergründlichen Blick zu. Sie schluckte.
    Wenn sie Angst hatte, wurde sie oft gereizt. Es war leichter, ängstlich und wütend zu sein, als sich in seiner Angst auch noch schwach zu fühlen. Sejas Anspannung stammte von der nächtlichen Lektüre einer fünfzig Jahre alten Kriminalreportage. Im Keller hatte sie einen Stapel Zeitschriften gefunden, die der Vorbesitzer des Häuschens zurückgelassen hatte. Erst wollte sie sie verbrennen, aber dann las sie sich in den Artikeln über Verbrechen fest, an die sich schon niemand mehr erinnerte. Später überlegte sie, darüber ihre Examensarbeit zu schreiben: ein historischer Überblick über die Kriminaljournalistik. Vielleicht war alles aber auch nur ein Vorwand, um nicht mit dem Lernen für die nächste Prüfung anzufangen.
    Sie war dreißig und erst spät darauf gekommen, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte, beziehungsweise, dass sie ihren Berufswunsch in die Tat umsetzen konnte. Das Schreiben hatte sie immer begleitet, aber bisher hatte sie nur ein paar unbedeutende Artikel und eine Kurzgeschichte veröffentlicht: Doch es war ein gutes Gefühl, dafür bezahlt zu werden.
    Im nächsten Moment sah sie den Tatort. Eine ganze Reihe von Autos blockierte die Hofeinfahrt. Sie musste ein Stückchen weiter am Straßenrand parken.
    Der Bauernhof war so alt, dass überall der Putz blätterte. Aus dem Augenwinkel sah sie ein Schild im kalten Wind schaukeln. »Thomas Edell – Kfz-Werkstatt und Schrotthandel«.
    Es durchfuhr sie wie ein elektrischer Schlag, eine Reaktion, auf die sie völlig unvorbereitet war. Ihr Unbehagen ging über in heftiges Herzklopfen, ihre Hände begannen zu zittern.
    Åke schien gar nicht auf sie zu achten. Er stieg aus und stapfte auf ein Grüppchen von Männern zu, die er für Polizisten in Zivil hielt. Sejas Gedanken überschlugen sich. Sie sah, wie man Åke an einen Mann im Mantel verwies, der am Rand des Hofes stand und den Blick auf den Boden gerichtet hielt wie ein Spürhund.
    Ein toter Mann. Ein Mord. Sie stieg aus dem Auto. Rundherum herrschte geschäftiges Treiben, aber die Leiche konnte sie nicht entdecken. Eine Kraft, die ihr selbst unbegreiflich war, lenkte sie zu Åke und dem Mann im Mantel.
    »Entschuldigen Sie, ich glaube, Sie sollten mich auch verhören. Ich war dabei, als Åke die Leiche entdeckte.«
    Sie tat so, als würde sie das verblüffte Gesicht ihres Nachbarn gar nicht bemerken.
    »Und Sie sind ...?«
    »Ich glaube, hier hat es ein Missverständnis ...«
    »Seja Lundberg«, fiel sie dem Alten ins Wort und gab ihrer Stimme einen einigermaßen festen Klang, während sie dem Polizisten in die Augen sah. Man hätte ihn fast hübsch nennen können, wären da nicht die buschigen Augenbrauen gewesen. Sie schoben sich geradezu über seine Augen, wenn er die Stirn runzelte. Seja roch seinen Atem: Kaffee und Zigaretten, mit einer Spur Pfefferminz.
    Die Hand, die er ihr entgegenstreckte, war warm und trocken. »Christian Tell, Kriminalkommissar. Melkersson hat erzählt, dass Sie die Leiche kurz nach sieben gefunden haben und danach zur Hauptstraße zurückgefahren sind, um die Polizei anzurufen. Hm ...«
    Er fragte sich, warum Åke behauptet hat, allein gewesen zu sein. Seja bereute ihre Lüge bereits.
    »Das kommt hin«, fuhr Tell nach einer kurzen Pause fort. »Der Notruf ist gegen halb acht eingegangen.«
    Er schien unkonzentriert, zog die Schultern hoch und schauderte, als hätte er erst jetzt bemerkt, dass die Temperatur über Nacht unter Null gefallen war. Sein Mantel war viel zu dünn, ein typischer Stadtmantel, eher für jemand gedacht, der von der Wohnung zum Auto und vom Auto ins Büro ging.
    »Ich seh mal nach einem Plätzchen, an dem wir uns unterhalten können. Hier draußen ist es einfach zu kalt.«
    Seja nickte, in ihrer Verwirrung glaubte sie plötzlich, den Mann schon einmal gesehen zu haben. Die dicken schwarzen Brauen, die über den Augen zusammengewachsen waren und überhaupt nicht zu dem aschblonden Haar passten, das ihm über Ohren und Kragen fiel. Seine tiefe Stimme und die Aussprache verrieten, dass er eigentlich breiten Göteborger Dialekt sprach, sich aber anstrengte, ihn zu unterdrücken. Diese Stimme erkannte sie wieder, und sie glaubte auch zu wissen, woher.
    Sie waren gerade erst in ihr Häuschen gezogen. Sie wollte Martin in der Kneipe am
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