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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord
Autoren: Camilla Ceder
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wartet bei seinem Auto.«
    Tell zündete sich eine Zigarette an und öffnete die Autotür.
    »Offensichtlich ist er durchgedreht und weggefahren. Dann ging sein Auto kaputt und er ist an der Straße stehen geblieben. Er weiß auf jeden Fall, dass wir mit ihm reden wollen.«
    Karlberg atmete tief durch. Gewaltsame Todesfälle waren bei ihrer Arbeit keine Seltenheit. Regelrechte Hinrichtungen – so hatte die Notrufzentrale den Fall geschildert – waren jedoch nicht an der Tagesordnung. Auf der Fahrt hatten sie überlegt, ob es sich um eine Art Rachefeldzug einer Bande handeln könnte; aber hier, auf einem Bauernhof am Ende der Welt? Vielleicht war Alkohol im Spiel, und ein Nachbar war auf einen anderen losgegangen. Wobei von Nachbarn weit und breit nichts zu sehen war.
    »Die laufen sich hier draußen nicht unbedingt täglich über den Weg«, murmelte er, als ein Motorengeräusch die Stille zerriss.
    »Okay, dann wollen wir mal.«
    Tell nahm rasch ein paar Züge von seiner Zigarette, drückte die Kippe in einem McDonald’s-Kaffeebecher aus und ging auf einen der Uniformierten zu. Im gleichen Moment bog der Notarztwagen auf den Hof, gefolgt von den Kriminaltechnikern.

3
    Neun Minuten bevor das Telefon klingelte, drückte Seja auf die Schlummertaste ihres Weckers, für den Fall, dass sie wieder einschlafen sollte. Mit einem Bein stand sie schon in der Wirklichkeit, mit dem anderen noch im Traum und zuckte zusammen, als die Uhr leise zu piepsen begann und dann auch noch das Telefon schrillte.
    Eine Sportzeitschrift fiel zu Boden, als sie sich aus dem Bett rollte und auf Zehenspitzen über den kalten Holzboden tapste. »Hallo?«
    »Ja, hallo. Hast du noch geschlafen?«
    »Wer ist denn da?«
    »Dein Nachbar. Bist du schon auf?«
    Seit Martin ausgezogen war, freute sie sich durchaus über ein bisschen Kontakt zu ihren nächsten Nachbarn. Das gab ihr das Gefühl, an dunklen Abenden ihrer Angst nicht völlig ausgeliefert zu sein. Wenn sie den Umriss der Tannen vor dem Nachthimmel sah, wusste sie, dahinter lag ein Moor und ein kleines Haus, in dem Åke und Kristina Melkersson wohnten.
    Manchmal konnte Åke ein nörgeliger alter Mann sein, und es nervte sie, wenn er den Charmeur spielte, aber mittlerweile hatten sie doch einen netten Umgangston gefunden. Sie hatte nichts dagegen, Kristina hin und wieder bei Kleinigkeiten zu helfen, wenn Åke nicht zu Hause war. Etwas aus dem Supermarkt mitbringen oder einen Brief einwerfen. Schließlich war sie alleine, und hatte, obwohl sie nach Jahren planlosen Herumstudierens vor dem Abschluss ihrer Journalistenausbildung stand, jede Menge Zeit.
    Doch nachbarlicher Kontakt hin oder her – von Melkersson geweckt zu werden, das ging dann doch einen Schritt zu weit. »Was gibt’s denn, Åke?«
    »Ich brauch deine Hilfe. Ich bin in einer ... Also, in einer dummen Lage. Um es mal vorsichtig auszudrücken.«
    Er klang abgehetzt.
    »Was soll ich denn tun? Wo bist du überhaupt?«
    »Hol mich bitte beim ICA-Supermarkt in Gunnilse ab. Mein Auto ist kaputt, aber das ist nicht alles. Ich warte hier, wenn du kommst, erzähl ich dir alles.«
    »Åke!«, rief sie. »Ich fahre nirgendwohin, wenn du mir nicht sagst, worum es geht. Hast du eine Panne? Warum rufst du nicht den Abschleppdienst?«
    Er senkte die Stimme und hielt sich das Telefon direkt vor den Mund. »Hör zu! Hier ist ein Mann ermordet worden. In einer Werkstatt. Ich hab ihn gefunden. Der ist richtig hingerichtet worden, da war so viel Blut überall. Seja, der war total zermatscht. Irgendjemand hat ihn ... Du musst mich hinfahren, ich hab’s der Polizei versprochen, und mein Auto ist ...«
    »Åke! Die Polizei? Was ...«
    Klick.
    »... ist denn bloß passiert?«, sagte sie zur Katze, die sich zur Wand drehte und weiterschlief.
    Tatsächlich war er leichenblass, wie er da so neben seinem Schrottauto stand. Seja öffnete die Beifahrertür. »Steig ein. Und erklär mir endlich, was passiert ist.«
    Ein beißender Geruch ging von Åke aus. »Ich wollte bloß fragen, ob er sich mein Auto mal ansehen kann.«
    Er schien sich ganz auf seine Atmung zu konzentrieren, und Seja spürte, wie sich sein Unbehagen auf sie übertrug. »Verdammt, aber du hast doch gesagt, dass du eine Leiche in einer Werkstatt gefunden hast. Warum hast du nicht den Abschleppdienst angerufen? Oder ein Taxi?«
    »Hier links rein! Verstehst du das denn nicht, Seja? Ich bin zu alt für so was. Du kannst mich doch wohl begleiten, damit ich mich nicht so allein fühle.«
    Sie
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