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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond
Autoren: Tanja Heitmann
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schoss es Meta durch den Kopf, und unwillkürlich sah sie sich nach einem Fluchtweg um. In ihrem Rücken entstand Unruhe, die sich jedoch schon im nächsten Moment wieder legte. Meta blinzelte, dann begriff sie: Maggie hatte ihre Stellung dazu benutzt, die Ängstlichen und Schwachen zu beruhigen. Das also hatte Rahel gemeint, als sie sagte, es gebe einen guten Grund dafür, dass Anführer einen solchen Zugang zu ihren Leuten hatten. Ein guter Anführer nutzte seine Stärke, um zu führen, nicht um zu manipulieren.
    Die Neuankömmlinge verharrten reglos am Fuß der Mauer, eine kaum entwirrbare Einheit aus Körpern. Die Gesichtszüge wurden stets nur kurz von den gierig aufschnellenden  Flammenzungen beleuchtet, ehe sie erneut hinter einem Vorhang aus Dunkelheit und Schneeschleiern verschwanden. Kein Anzeichen eines Grußes oder auch eines Angriffs, nur stummes Ausharren, das nichts anderes als ein Kräftemessen war. Doch was immer Sascha mit dieser Demonstration erreichen wollte - panische Flucht des zahlenmäßig unterlegenen Rudels oder eine Maggie, die unterwürfigVerhandlungen anbot -, es blieb aus.Vermutlich stand Davids Rudel weiterhin unter dem Eindruck der Verbundenheit, die es mit ihrer Hilfe erlebt hatte. Außerdem weiß Maggie offensichtlich, was sie tut, dachte Meta und merkte, dass sie sich absurderweise ebenfalls zu entspannen begann.
    Unvermittelt tat sich eine Lücke in dem Rudel bei der Mauer auf, und ein etwas kurz geratener, nichtsdestotrotz beeindruckender Mann trat hervor.Weder die Frostluft noch das zunehmende Schneetreiben schienen ihm etwas auszumachen. Er stand hemdsärmelig da, während der durchnässte Stoff ihm am Leib klebte und das Flammenspiel eine ausgeprägte Muskulatur verriet. Ohne eine Miene zu verziehen, blickte er herunter, und erst als Maggie einige Schritte auf ihn zuging, deutete er mit dem Kopf einen Gruß an.
    »Sascha.« Im Vergleich zu diesem vor Kraft und Selbstherrlichkeit strotzenden Mann wirkte Maggie wie ein Schatten. Aber Meta hatte gerade erst gelernt, wie viel Macht einem dadurch verliehen werden konnte. »Ich verstehe, dass du in Sorge bist, aber es bestand trotzdem kein Grund, hierherzukommen.« Dabei vermied sie das Wort eindringen ebenso wie den Hinweis, dass er mit seinem gesamten Rudel ihr Revier betreten hatte. »Es ist nur noch eine Frage von Minuten, dann ist Hagen als Anführer abgelöst, und die alte Ordnung ist wiederhergestellt.«
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als hätte Sascha nichts von dem gehört, was Maggie gesagt hatte. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die beiden Rudel zu seinen Füßen gerichtet, gerade so, als könne er sie einzig und allein durch seine Präsenz zur Unterwerfung zwingen. Dann wanderte sein Blick zu der zerstörten Glaskuppel.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Hagen mich im Moment überhaupt noch interessiert«, sagte er mit dunkler Stimme, nicht sonderlich darum bemüht, laut zu sprechen. Trotzdem hatte jeder seine Worte verstanden, und eine Sekunde später fand sich Meta umkreist von Menschen, die sie nicht kannte und die ihr dennoch so vertraut waren, dass sich ihre Berührungen angenehm anfühlten. »Die Frau - ich will sie mir ansehen«, forderte Sascha.
    »Das kann ich nicht entscheiden. Sie gehört zu David. Du wirst warten müssen, bis er wieder hier ist«, erklärte Maggie mit einem Tonfall, als würde sie lediglich einen übereifrigen Geschäftspartner vertrösten. Doch ihre plötzlich hochgezogenen Schultern verrieten, dass sie befürchtete, Saschas Ansinnen nicht lange widerstehen zu können.
    Ein höhnisches Lächeln schlich sich auf Saschas Gesicht. »Selbst wenn es diesem Sturkopf, auf den du alles gesetzt hast, tatsächlich gelingen sollte, Hagen aus dem Weg zu schaffen, wird der Wandel ihn nicht so rasch aus seinen Klauen entlassen. Das weißt du doch genau, Maggie.«
    Erst bei diesen Worten begriff Meta, dass Sascha es nur allzu gern auf eine Auseinandersetzung ankommen lassen würde, um Hand an sie zu legen. Da ging ein Ruck durch das Rudel: Hagen war tot. Meta keuchte auf - auf dieses Zeichen hatte sie gewartet. Doch als sie versuchte, sich auf David zu konzentrieren, sah sie nur Sascha, der mit gerunzelter Stirn einige Treppen heruntergestiegen war, gefolgt von einer kleinen Nachhut. Einige seiner Leute scherten währenddessen zu beiden Seiten aus. Gott, sie kreisen uns ein! Voller Angst wich Meta zurück, da drehte Maggie sich um und suchte ihren  Blick. Zuerst wollte Meta sich nicht darauf
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