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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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für mich.«
    Der Mann — wie war sein Name? — öffnete die Haustür. Menschen betraten ihr Haus, standen in ihrem Flur.
    Als sie den ersten Fuß auf die Treppe stellte, hörte sie jemanden ihren Namen rufen.»Frau Winkler, ist es wahr, dass Ihre Großmutter, die Seniorchefin der Firma Winklerbau, ermordet wurde?«
    Denise hörte den Auslöser einer Kamera. Sah das Objektiv wie die Mündung einer Waffe.
    Würde sie diesen Alptraum überstehen?

4
    Udo Jost war schlechter Laune, als er schließlich wieder in seinem Büro im Messeturm Frankfurt saß. Das Hemd klebte schweißnass an seinem Körper. Er hatte zugelassen, dass Myriam Singer, die Staatsanwältin, ihn abgekanzelt hatte, nachdem es ihm, verdammt noch mal, nicht gelungen war, sie aus der Reserve zu locken. Stattdessen war sie in ihren grünen Lackstiefeln davonstolziert wie die blasse, blonde Nicole Kidman, die ebenso wie die Singer hinter ihrem unergründlichen Gehabe nichts als die Arroganz einer karrieregeilen Diva verbarg.
    Dass Tobler den Bericht mit einer Handbewegung vom Tisch gewischt hatte, wunderte Jost nicht.
    Tobler gehörte die Produktionsfirma TV-Konkret. Sie hatte vor einem halben Jahr das Format
Brandheiß
aus dem Boden gestampft, das von Montag bis Samstag um 20:30 Uhr gesendet wurde. Die Zuschauer wussten, dass jeden Tag fünf Journalisten mit einem Spezialbericht darum kämpften, die Sendezeit für sich zu gewinnen. Dafür gab es eine Prämie, die sich prozentual erhöhte, je nachdem wie hoch die Einschaltquote war. Ein hartes Geschäft. Er, Jost, riss sich den Arsch auf, und Tobler entschied erst vier Stunden vor Sendebeginn, wessen Bericht an diesem Tag gewonnen hatte. Die Sendung war ein Erfolg. Das neue Programmformat brach alle Zuschauerrekorde. Doch Jost hatte in den letztenWochen nur eine einzige Sendung für sich gewonnen. Er merkte, dass seine Tage gezählt waren. Er spürte es. Da waren die Blicke der Kollegen auf dem Flur. Gespräche, die abgebrochen wurden, wenn er den Raum betrat. Die Arroganz von Toblers Sekretärin, wenn er einen Termin wollte. Er träumte schon von Toblers verrauchter Stimme: »Haben Sie was?« Und bevor er noch antworten konnte, kam schon das Urteil. »Dann machen Sie was.«
    Jost stieß den Bleistift in den Handrücken, bis die Miene abbrach. Jüngere Kollegen, es waren immer die jüngeren Kollegen. Sie hatten gerade erst ihr Volontariat abgeschlossen und bekamen wertvolle Sendezeit für Berichte, die nur Effekthascherei waren, ohne politische Relevanz. Ganz zu schweigen von den Prämien, die sie kassierten.
    Tag für Tag war er in diesem Neonaziprozess gesessen, um sich die Argumente der Verteidiger und dieser Myriam Singer anzuhören. Dabei sah ihr doch jeder an, dass ihr einfach nur ein Mann fehlte, der es ihr besorgte. Er sollte einen Bericht über Staatsanwältinnen in Deutschland machen. Wie viele von ihnen waren verheiratet, wie viele hatten Kinder, wie viele waren noch Jungfrau?
    Jetzt zitterten seine Hände vor Wut.
    »Sie sollten kein Schwarz tragen«, hatte sie gesagt.
    Vor den Kollegen, vor den Besuchern des Gerichts. Die ihn aus dem Fernsehen kannten, die sich jedes Mal, wenn sie ihn am Bildschirm sahen, fragen würden, ob dieser Racheengel von Myriam Singer Recht hatte.
    Sie würden mit dem Finger auf ihn zeigen: »Den hat neulich diese junge Staatsanwältin abblitzen lassen.«
    Jost zog den roten Aktenordner aus dem Sideboard und griff nach der halbleeren Flasche Whisky. Zu spät bemerkte er, dass die Tür zum Nebenzimmer offen stand. Das Großraumbüro war leer bis auf Ramona Neuberger, deren Bericht über die Schneekatastrophe in den Schweizer Bergen heute gesendet wurde, während sein Bericht über den Neonaziprozess im Müll gelandet war. So waren die Prioritäten.
    Er stand auf, um demonstrativ die Tür ins Schloss zu werfen, doch die Neuberger blickte nicht auf. Dann öffnete er den Verschluss der Flasche. Der erste Schluck brannte. Der zweite machte ihn ruhiger.
    Vier Wochen, vier Wochen war es her, dass Ramona Neuberger in sein Büro gekommen war, ohne anzuklopfen, und er sich gerade den Mund abwischte. Die Flasche noch in der Hand. Sie hatte ihn angewidert angeschaut. Trotz des Schweißausbruches hatte Jost es geschafft zu sagen: »Belohnung für einen Coup, den ich gelandet habe. Willst du auch einen Schluck?«
    Sie hatte nicht einmal eine Antwort gegeben, sondern sich nach vorne gebeugt, um einen Stapel Unterlagen auf dem Schreibtisch abzulegen. Dabei war ihre Brust nach vorne
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