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Winterjournal (German Edition)

Winterjournal (German Edition)

Titel: Winterjournal (German Edition)
Autoren: Paul Auster
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Amerika, und ja, du und deine Frau seid die Eltern einer Jew-wegian.
     
    Das Essen, das du als Kind geliebt hast, von der Zeit deiner frühesten Erinnerungen bis an die Schwelle der Pubertät, und du fragst dich, wie viele tausend Gabelvoll und Löffelvoll in dich hineingegangen sind, wie viele Bissen und Schlucke, wie viele kleine Schlückchen und gierige Züge, angefangen bei den unzähligen Fruchtsäften, die du zu verschiedenen Tageszeiten getrunken hast, Orangensaft am Morgen, aber auch Apfelsaft und Grapefruitsaft und Tomatensaft und Ananassaft, Ananassaft aus dem Glas, im Sommer aber auch Ananassaft in Eiswürfelform, von dir und deiner Schwester «Ananasklumpen» genannt, und dann die Softdrinks, die du, wann immer es dir erlaubt wurde, in dich hineingestürzt hast (Coca-Cola, Root Beer, Ginger Ale, 7  Up, Orange Crush), und die geliebten Milchshakes, vor allem Schokolade, aber manchmal zur Abwechslung auch Vanille, oder eine Mischung der beiden, Schwarzweiß genannt, und dann im Sommer der Fiebertraum des Root Beer Float, traditionell mit Vanilleeis, für dich aber noch köstlicher mit Mokkaeis. So gut wie jeden Morgen gab es als ersten Gang kalte Frühstücksflocken (Cornflakes, Rice Krispies, Weizenschrot, Puffweizen, Puffreis, Cheerios) – was zufällig gerade im Küchenschrank war), etwas in eine Schale geschüttet, dann Milch und einen Teelöffel (oder zwei Teelöffel) weißen Zucker darüber. Anschließend eine Portion Eier (meist in Form von Rührei, gelegentlich aber auch als Spiegelei oder weich gekocht) und zwei Scheiben Toast mit Butter (Weizen, Vollkorn oder Roggen), oft begleitet von Speck, Schinken oder Wurst, oder als Armer Ritter (mit Ahornsirup), oder, selten, aber am höchsten geschätzt, ein Stapel Pfannkuchen (ebenfalls mit Ahornsirup). Einige Stunden später zwei Scheiben Brot mit Aufschnitt, Schinken oder Salami, Cornedbeef oder Mortadella, manchmal Schinken und Schmelzkäse zusammen, oder eins von den bewährten Thunfischsandwichs deiner Mutter. An kalten Tagen, kalten Wintertagen wie heute, gab es vor dem Sandwich oft einen Teller Suppe, in den frühen Fünfzigern immer aus der Dose, wobei Campbell’s Hühnernudelsuppe und Campbell’s Tomatensuppe dir wie zweifellos allen anderen amerikanischen Kindern damals am besten geschmeckt haben. Hamburger und Hot Dogs, Pommes frites und Kartoffelchips: Leckereien, die es einmal die Woche im Cricklewood gab, der örtlichen Eisdiele, wo du und deine Schulfreunde jeden Donnerstag zu Mittag gegessen habt. (Deine Grundschule hatte keine Cafeteria. Jeder ging zum Mittagessen nach Hause, aber ab deinem neunten oder zehnten Lebensjahr erlaubten deine Mutter und die Mütter deiner Freunde euch dieses Vergnügen: jeden Donnerstag Hamburger und/oder Hot Dogs im Cricklewood, damals für gerade mal fünfundzwanzig oder dreißig Cent zu haben.) Die Abendmahlzeit war am besten, wenn es als Hauptgang Lammkoteletts gab, dicht gefolgt von Rinderbraten, dann in keiner besonderen Reihenfolge Brathähnchen, Grillhähnchen, Rindfleischeintopf, Schmorbraten, Spaghetti mit Hackklößchen, kurzgebratene Leber und gebratene Fischfilets mit viel Ketchup. Dazu praktisch immer Kartoffeln, und egal wie sie zubereitet wurden (hauptsächlich im Ofen oder als Püree), stets verschafften sie dir tiefe Befriedigung. Maiskolben übertrafen jedes andere Gemüse, aber diese Köstlichkeit war auf die letzten Sommermonate beschränkt, und daher hast du auch die Erbsen oder Erbsen und Karotten oder grünen Bohnen oder Rote Bete, die du auf deinem Teller fandest, mit Vergnügen in dich reingeschaufelt. Popcorn, Pistazien, Erdnüsse, Marshmallows, stapelweise Cracker mit Traubengelee und die Tiefkühlkost, die gegen Ende deiner Kindheit aufkam, insbesondere Hühnerpastete und Sara Lees Früchtekuchen. In der jetzigen Phase deines Lebens hast du für Süßigkeiten nicht mehr viel übrig, aber wenn du auf die fernen Tage deiner Kindheit zurückblickst, kannst du nur staunen, welche Massen an Zuckerzeug du verschlungen hast. Vor allem Eis, auf das du einen unersättlichen Appetit gehabt zu haben scheinst, ob einfach so in einer Schale oder mit Schokoladensoße, ob als Eisbecher oder Float, Eis am Stiel (zum Beispiel Good Humor und Creamsicles) genauso gut wie Eis im Innern von Kugeln (Bon Bons), Quadern (Eskimo Pies) und Kuppeln (Baked Alaska). Eis war der Tabak deiner Jugend, die Sucht, die sich in deine Seele schlich und dich ständig mit ihren Reizen betörte, aber auch für
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