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Winter in Maine

Winter in Maine

Titel: Winter in Maine
Autoren: Gerard Donovan
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zwischen »J« und »M« begann, denn Schriftsteller wie Johnson und Joyce, Malory und Owen standen hinten bei den Schlafzimmern. Mein Vater hatte es die »Zweigstelle Alexandrias in Maine« genannt, nach der griechischen Bibliothek, und wenn er nach der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte er am liebsten die Socken zum Feuer gestreckt, bis sie dampften, sich dann eine Pfeife angezündet, immer noch im dicken Pullover, sich zu mir umgedreht und um ein spezielles Buch gebeten, und ich konnte mich noch an die kalten Seiten in meinen Händen erinnern, wenn ich meinem Vater den Band brachte, den er haben wollte, und beobachtete, wie sich das Buch unter seinem Blick am Feuer erwärmte, und sobald er fertig war, hatte ich das warme Buch wieder ins Regal geschoben, wo es nicht mehr so gut hineinpasste, weil es in der Wärme ein bisschen größer geworden war.
    Obwohl er schon zwanzig Jahre tot war, behielt ich die Ro mane und Reiseberichte, die Theaterstücke und Shortstorys bei mir, so wie er sie hinterlassen hatte, alles, was er war und wusste.
    An jenem Montagnachmittag nahm ich eins dieser Bücher und las darin, russische Kurzgeschichten, und als ich mit der ersten fertig war, spähte ich aus dem Fenster. Noch immer kein Hund.
    Wieder ein Blick auf die Uhr: zwanzig nach drei.
    3
    Ich trat auf die Lichtung hinaus und rief.
    Hobbes!
    Ich hoffte, er würde hinter mir angerannt kommen oder aus dem Pick-up springen, wo er tagsüber oft auf dem Sitz schlief, wenn die Sonne auf die Windschutzscheibe brannte und alles in ein Treibhaus verwandelte, aber auch nach drei weiteren Rufen tauchte er nicht auf. Um auf andere Gedanken zu kom men, nahm ich noch ein paar Scheite vom Holzstoß und stapelte sie neben der Tür. Mein Magen krampfte sich zusammen, und obwohl ich es ignorierte, mir noch ein Buch holte und mich damit ans Fenster setzte, wollte sich die Anspannung nicht lösen. Die Erstausgabe eines Essays von Alexander Pope, erschienen 1757 in London, einer von zehn Bänden in Originalledereinband, die Katalogkarte im Umschlag. Zwecklos. Ich konnte mich nicht darauf einlassen, und was mir sonst Freude bereitet hätte, war jetzt nur ein ödes Gewirr von Wörtern in meinem Kopf, jedes wie ein Stein: »Werke Alexander Popes Esq. In 10 Bdn. London: Gedruckt für A. Millar, Jan R. Tonson, H. Lintot und C. Bathurst, 1757. Mit Frontispiz und dreiundzwanzig Stichen, eigenem Titelblatt für jeden Band in Rot und Schwarz, in zeitgenössischem gemasertem Ledereinband, mit rotem Saffianetikett in vergoldeten Lettern.«
    Schließlich schlug ich das Buch seufzend zu, da meine An spannung mit jedem Augenblick wuchs.
    Der Schuss war viel zu nah an der Hütte gefallen und auch lauter gewesen als ein Gewehr. Ich spielte alles noch mal durch und schätzte die Entfernung auf nicht einmal fünfhundert Meter.
    Um zwanzig vor vier ging ich wieder zum Waldrand, legte die Hände um den Mund und rief den Namen meines Hundes. Das Echo klang wie ein übers Wasser hüpfender flacher Stein. Dann folgte ich einem Pfad in den Wald, hundert, zweihun dert Meter, und rief wieder. Es würde bald dunkel werden. Um diese Zeit kamen die Hirsche hervor. Vielleicht hatte er einen entdeckt und war ihm nachgerannt, eine Verfolgungsjagd, die ihn drei, vier Kilometer weit wegführen konnte. Wenn ich mit Hobbes unterwegs war, hatte ich oft erlebt, wie er losstürzte und einem großen Hirsch hinterherjagte, den er unmöglich fangen konnte, und ich weiß auch gar nicht, was er getan hätte, wenn er ihn wirklich eingeholt hätte, jedenfalls war er immer vor mir zu Hause und wartete schon mit wedelndem Schwanz und ausgedörrter Kehle.
    Am Beginn der Jagdsaison hatte ich ihm ein orangefarbenes Tuch um den Hals gebunden, damit die Jäger nicht auf ihn anlegten, doch es war irgendwann abgerissen, und ich hatte es nicht ersetzt, was ich jetzt auf dem Rückweg zum Haus bereu te. Sinnlos, weiterzugehen und im Dunkeln herumzutappen.
    Um fünf vor vier kam ich auf die Lichtung und sah ihn im Blumenbeet liegen, blutüberströmt, kaum noch atmend. Er hatte die Augen geöffnet und hob den Kopf, als er mich hörte. Ich lief zu ihm und sah die Wunde: eine Schrotflinte.
    Er atmete noch, als ich ihn nach Fort Kent zum Tierarzt brach te, eine Strecke von fünfundzwanzig Kilometern, die ersten fünf Kilometer auf einer unbefestigten Straße mit überhängen den Bäumen. Ich wich den Schlaglöchern aus, hielt ihn fest und übte Druck auf die Wun de aus, sagte seinen Namen, da mit er ein
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