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Winter in Maine

Winter in Maine

Titel: Winter in Maine
Autoren: Gerard Donovan
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vertrautes Wort zu hören bekam, spürte die Feuch tigkeit an meiner Hand. Sobald ich die Asphaltstraße zur Stadt erreichte, gab ich Gas. Als ich beim Arzt klopfte, saß er im weißen Kittel in der Küche und aß zu Abend. Seine Frau öffnete die Tür und beschirmte die Augen unterm Verandalicht, während sie mich von Kopf bis Fuß musterte.
    Mein Hund ist angeschossen worden, sagte ich.
    Sie blickte zum Pick-up hinüber, der mit laufendem Motor und offener Tür in der Einfahrt stand, und sah Hobbes im Licht auf der Sitzbank liegen. Sie fasste sich an den Kragen, nickte und rief ihrem Mann zu: Ein Hund ist angeschossen worden.
    Ich wusste zu schätzen, dass sie sich so kurz fasste. Sie war jemand, der wusste, wie kostbar Sekunden sein können. Der Arzt kam herausgestürzt, und wir trugen den Hund in seine Praxis direkt neben dem Haus, wo wir ihn auf eine Metallbank legten.
    Er ist aus der Nähe angeschossen worden, sagte er. Das hätte ich auch schon festgestellt, entgegnete ich.
    Nein, aus allernächster Nähe, sagte der Tierarzt, aus einer Entfernung von ein paar Zentimetern. Die Schrotkugeln sit zen tief im Rücken.
    Sie meinen, die Flinte hat ihn fast berührt, sagte ich.
    Der Schütze kannte den Hund, vielleicht hat er ihn vorher getätschelt, damit er so dicht herankommt, erklärte er.
    Dann forderte er mich auf, mit seiner Frau den Raum zu verlassen, denn er könne allein besser arbeiten. Ich bat, blei ben zu dürfen, damit der Hund einen vertrauten Menschen sah, doch der Arzt schüttelte den Kopf und bat mich noch einmal zu gehen.
    Seine Frau führte mich in die Küche, goss mir eine Tasse Tee ein und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Sie war eine gute Frau, und ich mochte sie. Ich erinnerte mich, wie nett sie meinen Vater behandelt hatte, als er vor über zwanzig Jahren, kurz vor seinem eigenen Tod, mit einem anderen Hund den langen Weg hergekommen war. Ich sah, dass sie mich wieder erkannte.
    Sie sind Julius Winsome, sagte sie. Ich nickte.
    Er muss einem Hirsch nachgerannt sein, weil er so weit vom Haus entfernt war, sagte ich.
    So was kommt manchmal vor, erwiderte sie. Armer Kerl. Oder er ist spazieren gegangen, die Nase in der Luft, mut maßte ich.
    Darauf sagte sie: Hunde gehen gern spazieren, genau wie Menschen.
    Eine Glocke ertönte, und sie sagte, wir sollten wieder nach nebenan gehen. Als wir eintraten, sah ich nur blutrote Banda gen. Hobbes hatte Unmengen von Blut verloren.
    Man muss ungeheuer grausam sein, um so auf einen Hund abzudrücken, sagte der Arzt und legte mir die Hand auf die Schulter, und da wusste ich, was er sagen wollte. Die beiden gingen, und ich hörte seine Frau fragen, was los sei und warum er den Hund nicht retten könne. Seine Antwort war nicht mehr zu hören, weil sie die Tür schlossen, und ich stand da mit meinem Hund, der unter der einzigen Lampe lag.
    Der kleine Kerl sah mich an, und ich hielt seinen Kopf, dann legte er ihn auf meinen Arm und hörte auf zu atmen, als könn te er jetzt, wo ich da war, einfach loslassen.
    4
    Um ehrlich zu sein, die Fahrt zur Hütte zurück war unend lich lang. Hobbes lag neben mir, und ich zog seinen Kopf auf meinen Schoß, um es ihm auch im Endstadium bequem zu machen. Aus seinem Körper war fast alle Wärme gewichen, das Blut klebte in seinem Fell und auf dem Sitz. Noch am selben Abend, kurz nach meiner Rückkehr zur Hütte, begrub ich ihn im Scheinwerferlicht des Pick-ups im Blumenbeet, da, wo ich ihn gefunden hatte, an einer Stelle, die ich sehen konnte, wenn ich aus dem Fenster schaute. Es fiel mir schwer, die erste Schaufel Erde auf sein Gesicht zu werfen, ihn, der so oft hinter den von mir geworfenen Spielsachen hergelaufen war, der zitternd auf dem Fußboden gelegen hatte, während er im Traum lief und bellte, reglos in einem Loch liegen zu sehen. Immer wieder glitt die Schaufel aus dem Licht ins Dunkel und umgekehrt, und die Erde fiel auf seinen Bauch, den Rücken, in seine Ohren und Augen, während ich ihn zusammen mit allem, was ihn ausgemacht hatte, begrub: seinen Spaziergängen, seinen Verschnaufpausen, der Gewohnheit zu fressen, sobald er Hunger hatte, den Sternen, die er manchmal betrachtete, dem ersten Tag in meiner Hütte, dem ersten Mal, dass er Schnee sah, und jeder Sekunde seiner Freundschaft. All das nahm er mit in die Stille und Reglosigkeit. Ich schaufelte die ganze Welt auf meinen Freund und spürte ihr Gewicht, als läge ich bei ihm dort im Dunkeln.
    Als ich fertig war, stellte ich die Schaufel in die
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