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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don
Autoren: Tage der Toten
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den Kopf.
    »In Amerika hängt alles am System«, sagte Barrera. »In Mexiko
hängt alles an den persönlichen Beziehungen.«
    Und er bietet sie mir an, dachte Keller. Persönliche Beziehungen. Eine
Art Symbiose.
    » Señor Barrera -«
    »Ich heiße Miguel Angel«, sagte Barrera. »Aber meine Freunde nennen mich Tio.« Tío wie Onkel.
    In Mexiko, dachte Keller, ist das nicht nur der leibliche Onkel, sondern
auch eine Vaterfigur, ein großer Bruder, der einen unter seine Fittiche nimmt.
    Eine Art Pate.
    »Tio ...«, versuchte sich Keller zaghaft.
    Barrera lächelte und
nahm den Tribut mit einer leichten Neigung des Kopfes entgegen.
    Dann sagte er: »Arturo, mi
sobrino ...«
    Arthur, mein Neffe...
    Du wirst nirgendwohin versetzt.
     
    Außer nach oben.
    Kellers Versetzung wurde am nächsten Nachmittag widerrufen. Wieder musste
er zu Taylor ins Büro. »Wer zum Teufel protegiert Sie?« Keller zuckte die
Schultern.
    »Ich hab mir gewaltigen Ärger eingehandelt, direkt aus Washington«, sagte
Taylor. »Ist das irgendeine CIA-Machenschaft? Stehen Sie bei denen immer noch
auf der Gehaltsliste? Für wen arbeiten Sie, Keller? Für die oder für uns?«
    Für mich, dachte Keller. Aber er hielt den Mund und schluckte den Rüffel.
Dann sagte er: »Ich arbeite für Sie, Tim. Ich lasse mir DEA auf den Arsch
tätowieren. Wenn Sie wollen, auch ein Herzchen mit Ihrem Namen drin.«
    Taylor starrte ihn an, quer über den Schreibtisch, und fragte sich
offenbar, ob Keller ihn auf den Arm nahm und wie er darauf reagieren sollte.
»Ich habe Anweisung, Ihnen in allem freie Hand zu lassen«, sagte er im Ton
bürokratischer Neutralität. »Wollen Sie wissen, wie ich die Sache sehe?«
    »Dass ich mir den eigenen Strick drehe.«
    »Genau.«
    War auch nicht schwer zu erraten.
    »Ich werde Ihnen zuarbeiten, Tim«, sagte Keller und stand auf. »Ich werde
dem Team zuarbeiten.«
    Aber beim Hinausgehen, konnte er sich nicht verkneifen, zu singen, wenn
auch nur leise: »I'm an old cowhand, from the Rio Grande. But
I can't poke a cow, becouse I don't know how.«
     
    Eine Ehe, in der Hölle geschlossen.
    So hat Keller die Sache gesehen, als es zu spät war. Art Keller und Tío Barrera.
    Sie trafen sich selten und nur insgeheim. Tío suchte seine
Ziele sorgfältig aus. Keller konnte verfolgen, wie da etwas entstand oder -
genauer - auseinanderbrach, während Barrera unter Mithilfe von Keller und der DEA daranging, eine
Bresche nach der anderen in das Imperium von Don Pedro zu schlagen. Erst ein
einträgliches Mohnfeld, eine Opiumküche, ein Labor, dann zwei junge Gomeros, drei kriminelle
Provinzpolizisten, ein Bundespolizist, der von Don Pedro mordida nahm - Bestechungsgeld.
    Barrera hielt sich von
alldem fern, war nie direkt beteiligt, reklamierte nichts für sich, benutzte
Keller nur als Keule, doch trotzdem sah
sich Keller nicht als Marionette in seinen Händen. Er benutzte die Quellen, die Barrera ihm preisgab, um andere Quellen anzuzapfen, seinen Einfluss auszubauen,
ein krebsartig wucherndes Netzwerk von Zuträgern zu schaffen. Aus einer Quelle
wurden zwei, aus zwei wurden fünf, aus fünf wurden ...
    Nun, neben allem Guten gab es auch die endlosen Reibereien mit den
DEA-Leuten. Tim Taylor bestellte Keller mindestens ein halbes Dutzend Mal zum
Rapport. Woher haben Sie Ihre Informationen, Keller? Wer ist Ihre
Quelle? Haben Sie Zuträger? Wir sind ein Team, Keller. Da gibt es keine
Alleingänge.
    Doch, wenn es um den Sieg geht, dachte Keller. Und darum geht es jetzt.
Wir können siegen. Wir
durchdringen die Strukturen, spielen die Gomeros gegeneinander
aus, zeigen den Campesinos von Sinaloa, dass die Herrschaft der Drogenbarone zu Ende geht. Also
erzählte er Taylor gar nichts.
    Er musste zugeben, es war auch ein bisschen Häme dabei. Fick dich, Tim.
Dich und dein Team.
    Während sich Tío Barrera wie ein Champion durch den Ring bewegte. Immer als Angreifer, ohne sich
Blößen zu geben. Während er seine Treffer anbahnte, aber erst landete, wenn er
nichts riskierte. Während er Don Pedro bis zur Erschöpfung vor sich her trieb,
in die Knie zwang, in die Ecke drängte, dann -
    Der K.-o.-Schlag.
    Operation Condor.
    Der Militärschlag mit Luftunterstützung, mit Bomben und Entlaubungsgiften.
Aber es war Art Keller, der den Einsatz dirigierte, ganz so, als hätte er eine
Landkarte mit allen Mohnfeldern, Opiumküchen und Labors vor sich, was beinahe
auch stimmte.
    Jetzt hockt Keller im Gebüsch und wartet auf den Hauptgewinn.
    Trotz aller Erfolge, die
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