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Wind Die Chroniken von Hara 1

Wind Die Chroniken von Hara 1

Titel: Wind Die Chroniken von Hara 1
Autoren: Alexey Pehov
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sich endlos dahin. Den Milchkrug hatte Pork bereits halb geleert, das Brot jedoch noch nicht angerührt. Er hatte keinen Hunger. Und auch keine Lust, auf die Kühe aufzupassen – während alle anderen Kinder aus dem Dorf Forellen angelten und Ritter spielten! Aber die wollten ihn, den Dorftrottel, der schon so viel älter war als sie, sowieso nie dabeihaben. Pork hegte deswegen einen unglaublichen Groll auf sie, vor allem da er nicht einmal verstand, warum sie ständig über ihn lachten und ihm einen Vogel zeigten.
    Gerade als er sich noch ein, zwei Stündchen im Schatten der Sträucher aufs Ohr hauen wollte, bemerkte er in der Ferne vier Reiter auf der Straße. Ohne Eile überquerten sie die solide, von den Bauern geschaffene Holzbrücke und hielten auf den Kahlen Stein zu. Diese Steine standen an allen Wegkreuzungen und sollten das Böse von den Häusern fernhalten. Die vier Männer schlugen die Abzweigung zum Dorf ein.
    Pork stülpte die Unterlippe vor, worauf prompt Speichel auf seinen Hemdsärmel tropfte, und beobachtete die Reiter.
    Nach Hundsgras, dem Dorf im Waldsaum vor den Buchsbaumbergen, verirrte sich nur selten jemand.
    Wie die Steuereintreiber des Statthalters sahen diese Reiter nicht aus, denn sie trugen nur grobe, lederne Jacken und einfache Leinenhemden, nicht die wunderschöne rot-weiße Uniform, die Pork nur zu gern selbst angezogen hätte.
    »Und einen Herold mit Trompete haben sie auch nicht dabei«, murmelte er. »Echt wahr, die Soldaten des Statthalters gefallen mir viel besser. Aber wenigstens haben sie Schwerter. Die sind scharf, das seh ich. Viel schärfer als Vaters Messer, mit dem er Pork bis aufs Blut ritzt. Das tut weh! Einer hat sogar eine richtige Armbrust, keine zum Spielen. Wenn du mit der schießt, gibt’s ein Loch. Wenn Pork eine Armbrust hätte, würden ihn die anderen Kinder nie wieder auslachen. Gnuth hat einen Bogen, und über den lacht niemand. Echt wahr. Und die Mädchen lieben ihn. Jawoll. Die Pferde dieser Onkels sind auch gut, viel besser als die bei uns im Dorf. Wenn die dich damit überrennen, bleibt nichts von dir übrig. Weil das echte Ritterpferde sind. Wenn Pork das Dorf verlässt, wird er auch Ritter. Und rettet Mädchen. Trotzdem sind diese Onkels keine Ritter. Die haben nämlich keine bunten Wappen, Federbüsche und Rüstungen! Das sind höchstens falsche Ritter. Oder vielleicht Räuber. Aber eigentlich sehen sie nicht so aus. Sogar ein Kind weiß doch, dass Räuber nie auf offener Straße reiten. Sonst hängen die Soldaten des Statthalters sie gleich an der nächsten Espe auf. Außerdem haben Räuber keine Ritterpferde. Die sind nur böse, feige, dreckig und haben rostige Messer quer im Mund. Aber die Onkels kommen ohne Messer. Und klauen könnten sie bei uns auch gar nichts. Höchstens ein paar Steckrüben von der alten Rosa.«
    Pork malte sich aus, wie eine Bande von ungewaschenen, bärtigen Männern mit einer Machete zwischen den Zähnen über den Zaun der gemeinen Rosa kletterte, sich nach allen Seiten ängstlich umsah und dann die Steckrüben ausbuddelte. Dabei stand Rosa die ganze Zeit auf der Vortreppe, fuchtelte wild mit ihrem Krückstock und ließ die schlimmsten Flüche auf die Halunken hageln. Vielleicht würde die alte Schachtel sogar den Stock nach ihnen schmeißen. Genau das hatte sie nämlich getan, als Pork einmal ihren Zaun eingerissen hatte. Eine schöne Beule hatte das gegeben. Sein Vater war damals der Ansicht gewesen, jetzt würde Pork bestimmt schlauer werden. Aber da hatte er sich zu früh gefreut. Die Kinder lachten immer noch über ihn, nannten ihn Trottel und wollten nicht mit ihm spielen.
    Als einer der Reiter den Hirten bemerkte, machte er seine Gefährten auf ihn aufmerksam. Daraufhin ritten alle vier von der Straße hinunter und kamen quer übers Feld auf Pork zu.
    Der wäre in seiner Angst am liebsten Hals über Kopf davongestürzt, hätte das nicht bedeutet, die Kühe unbeaufsichtigt zu lassen. Die würden dann bestimmt alle weglaufen – und er könnte sie wieder einfangen! Falls die Scheckige auch noch in die Felsspalte lief, würde er sie selbst mit dem lautesten Gebrüll nicht wieder hervorlocken. Dann würde ihn sein Vater entsetzlich verbläuen, mit Nesseln oder mit der Gerte, und er könnte sich eine ganze Woche lang nicht auf seine vier Buchstaben setzen. Abgesehen davon war es bis zum Wald noch ein ordentliches Stück, da würden ihn die Reiter mit Sicherheit einholen – und vermutlich verprügeln. Damit galt es,
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