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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
Autoren: Dorothy L. Sayers
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gesehen, so sehr wankte der Turm unter dem unablässigen Schwingen der Glocken.
    Die ganze Welt lag mittlerweile unter einer unendlichen Wasserdecke. Wimsey zog sich vollends hoch und blickte von einem Horizont zum andern. Im Südwesten erhob sich der Kirchturm von St. Stephen noch über einem dunklen Flecken Land, wie der gebrochene Mast eines sinkenden Schiffes. Aus allen Häusern des Dorfes fiel Licht; es schien dem Sturm noch zu trotzen. Im Westen zog sich der schmale Streifen der Eisenbahnlinie nach Little Dykesey hin, noch nicht erobert, aber schon gefährlich belagert. Direkt im Süden erhob sich mitten aus dem Meer die Kirche von St. Peter, Turm und Dach vor dem spiegelnden Silber schwarz sich abhebend. Gleich unterm Turm lag leer und verlassen St. Paul und harrte seines Schicksals. Nach Osten hin markierte ein feiner Strich den Lauf des Pottersgrabens, und vor Wimseys Augen schien der Damm zu wanken und nachzugeben und unter der Flut zu verschwinden. Der Wale war völlig in dem Wasserteppich aufgegangen, doch weit dahinter zeigte ein stumpfer Streifen an, wo das Land sich zum Meer hin erhob und alles Wasser auf die FenchurchGemeinden zurückwarf. Landeinwärts und westwärts breitete das Wasser, gespeist von der geborstenen Van-LeydenSchleuse, sich unbarmherzig immer weiter aus und stand schon so hoch wie der Damm des Dreißigfußkanals. Der goldene Hahn auf der Wetterfahne starrte trotzig seewärts, der Gefahr entgegen, den Kopf in den unablässigen Wind gereckt, der vom Wash herüberwehte. Irgendwo in dieser Wasserwüste trieben die leblosen, geschundenen Körper Will Thodays und seines Kameraden inmitten der Trümmer von Hof und Feld. Das Fenmoor hatte sich zurückgeholt, was sein war.

    Eine nach der andern klangen die Glocken aus. Gaude, Sabaoth, John, Jericho, Jubilee, Dimity und Batty Thomas senkten ihre brüllenden Münder und verstummten, und inmitten ihres plötzlichen Schweigens schlug die Tailor Paul ihre neun trauervollen Schläge für die zwei in der Nacht dahingegangenen Seelen. Feierlich drangen Orgelklänge von unten herauf.
    Wimsey stieg vom Turm hinunter. In die Läutestube, wo der alte Hezekiah bei seiner Glocke Wache hielt, drangen Licht und Laute aus der überfüllten Kirche. Die Stimme des Pfarrers wehte melodisch und dünn empor, vorbei an den Flügeln der schwebenden Cherubim:
    »Erhelle unsre Finsternis …«

Dritter Teil
Die Glocken werden abgeschwungen
    Der eherne Unhold hatte ihn erschlagen.
    Julian Sermet: THE ROSAMONDE
    Vierzehn Tage und Nächte lang lief der Wale rückwärts in seinem Bett, und die Flut stand über dem Land. Sie bedeckte ganz Fenchurch St. Stephen und stand einen Fuß hoch über dem Bahndamm, so daß die Züge nur schnaufend und langsam durchkamen, links und rechts hohe Wände von Wasser emporspritzend. Am schwersten litt St. Peter, wo die Häuser bis zu den Simsen der oberen Fenster und die kleineren Hütten bis zu den Traufen unter Wasser standen. In St. Paul reichte das Wasser fast zweieinhalb Meter hoch und bedeckte alles bis auf den kleinen Hügel, auf dem die Kirche und das Pfarrhaus standen.
    Des Pfarrers Organisation klappte ausgezeichnet. Die Vorräte reichten gut für drei Tage, dann brachte ein improvisierter Boots- und Fährdienst regelmäßig frischen Proviant aus den umliegenden Städten. Rund um die Kirche entstand so eine Art Inselleben, das mit der Zeit einen eigenen Rhythmus entwikkelte. Jeder neue Morgen wurde mit einem kurzen, fröhlichen Glockenläuten begrüßt, das die Melker hinaus zu den Rinderpferchen auf dem Friedhof schickte. Warmes Wasser zum Waschen wurde in fahrbaren Tonnen vom großen Waschkessel im Pfarrhaus herübergebracht. Das Bettzeug wurde ausgeschüttelt und zusammengerollt und für den Tag unter den Bänken verstaut; die Zeltbahn zwischen dem Schlaflager der Männer auf der einen und dem der Frauen auf der andern Seite wurde zurückgeschoben, und es folgte eine kleine Andacht mit Gesang und Gebeten, begleitet von kulinarischen Geräuschen und Düf ten aus der Jungfrauenkapelle. Das unter Bunters Leitung zubereitete Frühstück wurde von Mitgliedern der Frauenvereinigung zwischen den Bänken verteilt, und nachdem gegessen war, wurden die täglichen Pflichten in Angriff genommen. Im südlichen Seitenschiff wurde Schule gehalten; Sport und Spiele fanden unter Lord Peter Wimseys Leitung im Pfarrgarten statt; die Bauern kümmerten sich um ihr Vieh; Geflügelhalter füllten den Gemeinschaftskorb mit Eiern; Näharbeiten wurden
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