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Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Titel: Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
Autoren: Dorothy L. Sayers
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werden die Stufen so glatt, das glaubt man gar nicht, und manche sind an den Kanten schon richtig abgetreten.»
    Das ärztliche Gutachten stammte von Dr. Emerson. «Ich wohne am Queen's Square in Bloomsbury. Von meinem Haus bis zur Werbeagentur Pym in der Southampton Row geht man fünf Minuten. Ich erhielt den Anruf um 15 Uhr 40 und ging sofort hin. Der Verunglückte war bei meiner Ankunft tot. Ich kam zu dem Ergebnis, daß er seit etwa einer Viertelstunde tot sein müsse. Sein Genick war am vierten Wirbel gebrochen. Zudem hatte der Tote eine Quetschwunde an der rechten Schläfe, wo auch der Schädel zertrümmert war. Jede dieser beiden Verletzungen war eine hinreichende Todesursache. Ich würde sagen, daß der Mann unmittelbar nach dem Sturz gestorben ist. Außerdem war das rechte Schienbein gebrochen, wahrscheinlich weil er damit im Treppengeländer hängengeblieben war. Natürlich hatte er auch noch etliche Schürfungen und Quetschungen. Die Kopfwunde könnte der Form nach daher rühren, daß er im Fallen gegen einen der Knöpfe am Geländer geschlagen ist. Ob diese Wunde oder der gebrochene Nackenwirbel die eigentliche Todesursache war, kann ich nicht sagen, aber in beiden Fällen wäre der Tod auf der Stelle eingetreten. Ich gebe zu, daß diese Frage nicht von großer Bedeutung ist. Ich habe keine Hinweise auf ein Herzleiden oder eine sonstige Krankheit gefunden, die den Schluß nahelegen könnte, daß der Verstorbene an Schwindel- oder Ohnmachtsanfällen litt. Für Alkohol oder Drogensucht habe ich keine Anzeichen gefunden. Ich habe die Treppe gesehen und finde, daß man sehr leicht darauf ausrutschen kann. Soweit ich es beurteilen kann, schien die Sehkraft des Verstorbenen normal zu sein.»
    Miss Pamela Dean, die Schwester des Verstorbenen, hatte ausgesagt, daß ihr Bruder zur Zeit des Unfalls bei guter Gesundheit gewesen sei und niemals irgendwelche Schwächeanfälle oder dergleichen gehabt habe. Er sei nicht kurzsichtig gewesen. Gelegentlich habe er unter Leberbeschwerden gelitten. Er sei ein guter Tänzer gewesen und gewöhnlich sehr sicher und flink auf den Beinen. Einmal habe er sich als Junge einen Knöchel verstaucht, aber soweit sie wisse, sei von daher keine dauernde Gelenkschwäche zurückgeblieben.
    Es wurden auch Aussagen dahingehend gemacht, daß schon öfter Personen auf dieser Treppe verunglückt seien; andere Zeugen meinten, die Treppe sei nicht gefährlich, wenn der Benutzer gebührende Vorsicht walten lasse. Die Geschworenen erkannten auf Tod durch Unfall und merkten in der Begründung an, daß ihrer Meinung nach die Eisentreppe durch eine massivere Konstruktion ersetzt werden solle.
    Mr. Bredon schüttelte den Kopf. Dann nahm er ein Blatt Papier von dem vor ihm liegenden Stoß und schrieb:

    1. Er schien in sich zusammenzufallen.
    2. Er machte keinen Versuch, sich zu fangen.
    3. Er ließ das Buch nicht los.
    4. Er schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf.
    5. Genickbruch, Schädelbruch: jede dieser Verletzungen für sich allein tödlich.
    6. Gute Gesundheit; gute Augen; guter Tänzer.

    Er stopfte sich eine Pfeife und starrte eine Zeitlang auf diese Liste. Dann kramte er in einer Schublade und fand ein Blatt Papier, das ein angefangener Brief oder der weggelegte Entwurf eines Briefes zu sein schien.

    «Sehr geehrter Mr. Pym,
    ich halte es für richtig, Sie wissen zu lassen, daß in dieser Agentur Dinge vorgehen, die höchst unerfreulich sind und zu ernsten –»

    Nach nochmaligem längerem Nachdenken legte er dieses Schriftstück wieder fort und schrieb etwas auf ein anderes Blatt Papier, radierte und schrieb emsig wieder von vorn. Bald spielte ein zögerndes Lächeln um seine Lippen.
    «Möchte wetten, daß da was dran ist», sagte er leise. «Und zwar etwas ziemlich Großes. Die Frage ist nur, wie man so was macht. Irgendwie muß man an das Geld herankommen – aber wo kommt es überhaupt her? Von Mr. Pym wohl kaum. Er dürfte selbst nichts damit zu tun haben, und man kann nicht eine ganze Belegschaft erpressen. Trotzdem frage ich mich … Wahrscheinlich würde er sich's doch etwas kosten lassen, zu verhindern, daß –»
    Er versank in Schweigen und Meditation.

    «Und», fragte Miss Parton, indem sie das nächste Schokoladeneclair aufspießte, «was hältst du von unserem Mr. Bredon?»
    «Pyms Schoßhündchen?» fragte Miss Rossiter zurück. «Du wirst noch ein Pfund ums andere zulegen, wenn du weiter so viel von diesem süßen Zeug futterst, Schätzchen. Also ich finde ihn nett, und
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