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Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch

Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch

Titel: Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
Autoren: Juergen Kehrer
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plaudern. Und wenn Sie etwas über den anderen Mann hören ...«
    Sie zog fragend die Augenbrauen hoch.
    Ich gab ihr meine Visitenkarte, die richtige.
    »Sie sind Privatdetektiv«, stellte die Asiatin überrascht fest. »Sie haben mich reingelegt.«
    »Nein, nicht wirklich«, widersprach ich. »Ich arbeite für jemanden, der glaubt, dass Jessica etwas zugestoßen ist.«
    »Ein Verbrechen?«
    »Möglicherweise. Und das, was Sie gesagt haben, ist ein wichtiger Hinweis. Sie helfen also nicht nur mir, sondern auch der Gerechtigkeit.«
    Sie durchschaute meine Schmeichelei. »Wenn das so ist, helfe ich natürlich gern«, bemerkte sie spöttisch.
    Wir lächelten uns an.
    »Sind Sie in Deutschland geboren?«, fragte ich aus reiner Neugier. »Sie sprechen perfekt Deutsch.«
    »Nein, ich bin im Alter von fünf Jahren nach Deutschland gekommen. Meine Familie ist aus Saigon geflohen, bevor die Nordvietnamesen die Macht übernommen haben. Mein Vater war das, was die Kommunisten einen Kapitalisten nennen. Er besaß eine Werkstatt mit vierzig Angestellten. Ich habe in Deutschland das Abitur gemacht und studiert.« Sie lachte über meine Verblüffung. »Politikwissenschaft, leider ohne Abschluss. Dafür gehört der Laden mir. Und wenn er gut läuft, mache ich einen zweiten in der Innenstadt auf. Vietnamesen sind geschäftstüchtig.«
    Davon war ich überzeugt.
    »Außerdem bin ich deutsche Staatsangehörige«, erzählte sie weiter. »Trotzdem reden die meisten Deutschen mit mir in Sätzen, die nur aus Substantiven und Verben bestehen. So vergesse ich wenigstens nicht, dass ich eine gelbe Haut und Schlitzaugen habe.«
    Ich gab ihr zum Abschied die Hand.
    »Ich heiße Tran Thi Kim Oanh«, sagte sie. »Kim Oanh ist der Vorname.«
    »Und ich heiße Wilsberg. Georg ist der Vorname.«
    Durch den Regen hetzte ich zum Auto. Während ich in die Innenstadt zurückfuhr, überlegte ich die nächsten Schritte. Ich hatte die Wahl, entweder noch eine Weile herumzulaufen und Leute zu befragen – oder direkt zur Polizei zu gehen. Da von Susanne Klotz kein Honorar zu erwarten war, fiel mir die Entscheidung nicht schwer. Klaus Stürzenbecher, Chef des Dezernats für Gewaltdelikte im münsterschen Polizeipräsidium, war ein alter Bekannter von mir, fast so etwas wie ein Freund. Jede Todesfalluntersuchung landete unweigerlich auf seinem Schreibtisch. Wenn überhaupt jemand die Ermittlungen im Fall Jessica Wiedemann noch einmal aufrollen konnte, dann war er es.

III

    Als Hauptkommissar und Chef der Mordkommission hatte Stürzenbecher das Anrecht auf ein eigenes Büro und ein Vorzimmer. Einer seiner Assistenten machte für mich den Türöffner, nachdem er sich zuvor erkundigt hatte, ob mein Besuch genehm sei.
    Stürzenbecher hatte die Krawatte gelockert und erwartete mich mit einem Gesichtsausdruck, den man nicht unbedingt freudig nennen konnte. Er war Mitte fünfzig und zählte schon die Jahre bis zu seiner Pensionierung. Trotzdem hielt er sich körperlich fit, was vermutlich auch an der wesentlich jüngeren Frau lag, mit der er in zweiter Ehe verheiratet war.
    »Wilsberg!«, sagte Stürzenbecher. »Setz dich!«
    Ich setzte mich.
    »Ich nehme an, das ist kein Höflichkeitsbesuch. Warum riecht es bloß immer nach Ärger, wenn du hier aufkreuzt?«
    »Habe ich dir nicht bei einigen wichtigen Fällen entscheidend geholfen?«, konterte ich.
    »So? Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    »Jessica Wiedemann«, kürzte ich das Vorgeplänkel ab. »Klingelt da etwas bei dir?«
    »Ja«, sagte Stürzenbecher gedehnt. »Vor ein paar Tagen gestorben. Eines natürlichen Todes.«
    »Ihre Schwester behauptet etwas anderes.«
    »Deine Klientin?«
    Ich nickte.
    »Ich habe den Bericht gelesen.« Stürzenbecher betrachtete seine Hände, die auf der grünen Schreibtischunterlage ruhten. »Er war nur eine halbe Seite lang und enthielt die Schlussfolgerung, dass weitere Ermittlungen überflüssig seien.«
    »Eben. Deine Leute haben nicht das Geringste überprüft.«
    »Warum sollten sie, wenn der Arzt von Herzversagen ausgeht?«
    »Die Frau war neunundzwanzig«, protestierte ich. »Sie kommt von der Arbeit nach Hause und fällt tot um. Findest du das normal?«
    »So ist das Leben. Manchmal lang und elend und manchmal kurz und schmerzlos.«
    »Es könnte sich genauso gut um Selbstmord oder Mord handeln.«
    »Hätte, könnte, wäre.« Der Hauptkommissar schaute mir in die Augen. »Bei jedem zweiten Todesfall ist nicht völlig auszuschließen, dass es sich um ein Gewaltdelikt
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