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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
Autoren: Juergen Kehrer
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Beschattung bringen sollte, war jede Action besser als Selbstvorwürfe.
    Die beiden gingen Richtung Servatiiplatz. Ich folgte ihnen in gehörigem Abstand.
    »Hallo Georg!«, sagte eine Stimme neben mir.
    Fast wäre ich über Conny und ihren Sohn gestolpert.
    »Langsam kriege ich Komplexe, weil du mich ständig übersiehst.«
    »Conny! Du, ich bin in Eile. Ich …«
    »Eins wollte ich dich noch fragen: Hast du wirklich geglaubt, dass ich mich von Global Artists schmieren lasse?«
    »Nein, natürlich nicht«, stammelte ich. »Ich muss jetzt aber … Ich ruf dich an.«
    »Du kannst es auch bleiben lassen«, rief sie mir wütend nach.
    Ich legte einen Zwischenspurt ein und sah gerade noch, wie sich Merten vor dem Salzhof von dem Zivi trennte. Der Zivi ging geradeaus, Merten verschwand im Salzhof.
    Na, so was, dachte ich, Merten ist also gar nicht so hilflos, wie Doktor Liesenkötter denkt. Vorsichtig, jederzeit bereit, hinter einem Kleiderständer zu verschwinden, schlich ich durch die Kaufhalle im Erdgeschoss des Salzhofes. Und dann entdeckte ich Lars Merten. Er stand vor einem öffentlichen Fernsprecher und telefonierte.
    Nachdem er sein kurzes Telefongespräch beendet hatte, verließ Merten das kombinierte Kaufhaus-Museum durch einen Nebenausgang, der zur Winkelstraße führte. Offenbar schien er sich recht gut zurechtzufinden. Mit zügigem Schritt überquerte er die Promenade und wandte sich nach rechts, zum Hauptbahnhof.
    Vor dem Hauptbahnhof traf er den Zivi, der bereits an einer Bushaltestelle wartete. Kurz darauf stiegen sie in einen Bus, der sie, wie ich dem Display an der Frontseite entnahm, zurück zum Stift Kerßenbrock bringen würde.
    Vorher hatte Lars Merten noch etwas sehr Merkwürdiges getan. Er hatte mehrere Geldscheine aus der Tasche gezogen und sie dem Zivi in die Hand gedrückt.
    In meiner Wohnung war es erstaunlich still. Jan und Tamara hatten sich nach Dänemark abgesetzt. Sie würden dort die nächsten Tage in der Ferienwohnung von Tamaras Eltern verbringen, hatte Jan auf einen Zettel geschrieben, der auf dem Küchentisch lag.
    Ich stopfte eine Pfeife und dachte weiter nach. Diesmal zielgerichteter. Dann rief ich Stürzenbecher an.
    Der Hauptkommissar war in Eile. »Ich habe gerade den Haftbefehl für Kleine-Langen bekommen«, verkündete er geschäftig.
    »Ach«, sagte ich.
    »Er war zur Tatzeit in Warendorf. Angeblich um einen Druckereikunden zu besuchen.«
    Bevor ich weitere Fragen stellen konnte, legte Stürzenbecher auf .
    Ich paffte ein paar Züge und wählte die nächste Nummer. Nach der zwanzigsten Wiederholung eines blechernen Klavierstücks hatte ich Doktor Liesenkötter am Apparat. Ich erzählte ihr, dass ich Merten und den Zivi in der Stadt getroffen hätte. »Aber sagen Sie mal«, wurde ich vertraulich, »woher hat Merten eigentlich das viele Geld? Er hat mit Scheinen nur so um sich geworfen.«
    »Das kann nicht sein«, lachte sie. »Merten verfügt nicht über Geld. Er ist vor vielen Jahren entmündigt worden, ein normaler Vorgang bei einer derartigen Erkrankung.«
    »Ja, aber …«
    »Vielleicht hat der Zivi ihm einen Schein zugesteckt. Manchen unserer Patienten macht es Freude, selbst zu bezahlen.«
    »So wird es gewesen sein«, stimmte ich ihr zu.

XVI
    Ich saß in meinem Auto und wartete. Es war ein trister Herbstabend, die Wolken hatten ihre Individualität aufgegeben und sich zu einer grauen Masse vereint, die trübe den Himmel umspannte. Allerdings beobachtete ich mit meinem Fernglas nicht den Himmel, sondern die Vorgänge auf der anderen Straßenseite. Viel zu sehen gab es nicht, im Stift Kerßenbrock aß man früh zu Abend und ging früh zu Bett, jedenfalls der Teil der Bewohner, der sich nicht ganz freiwillig dort aufhielt. Die Tagschicht des Pflegepersonals und die Ärzteschaft hatten die Klinik bereits verlassen, die meisten mit dem Auto, die anderen mit dem Linienbus, der gegenüber der Zufahrt hielt. Jetzt standen nur noch ein paar vereinzelte Wagen auf dem Parkplatz, und die Bushaltestelle war verwaist.
    Ich gähnte. Ein langweiliger und kalter Abend drohte, der Privatdetektivalltag hatte mich eingeholt. Dabei bezahlte mich niemand für die Warterei, ich saß völlig freiwillig hier. Natürlich hätte ich es Stürzenbechers Geschick überlassen können, den Mörder zu überführen. Nur war ich dummerweise davon überzeugt, dass er mal wieder den falschen erwischt hatte. Eine Frau in Weiß huschte von einem Gebäude zum anderen. Sollte sich bis Mitternacht nichts
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