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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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einem Handstrich vom Tisch zu wischen.
    An dieser Stelle wurde Holthausens Rede durch wütendes Zischen unterbrochen, nur wenige Anwesende klopften Beifall.
    »Das Wichtigste aber«, fuhr Holthausen fort, »ist der Fortbestand der Koalition. Nach fünfzig Jahren CDU-Regierung ist es uns erstmals gelungen, im schwarzen Münster eine neue Mehrheit zu schaffen. Auch Heiner hat erwähnt, dass wir bereits einiges umgesetzt haben. Und wir haben uns noch eine Menge vorgenommen. Soll das alles an einem einzigen Punkt scheitern? Wenn wir die SPD in eine große Koalition mit der CDU treiben, werden viele hoffnungsvolle Ansätze zunichtegemacht. Bürgerinitiativen, Kulturinitiativen, Sozial- und Bildungszentren, Selbsthilfegruppen setzen große Erwartungen in die neue Mehrheit. Das ist unsere Basis, der wir verpflichtet sind. Eine große Koalition bedeutet, dass die kulturellen und sozialen Nischen wieder geschlossen werden, der Mainstream-Geschmack wird nicht nur im Global Artists -Park dominieren. Eine große Koalition bedeutet, dass Verkehrspolitik nach dem Gusto der Kaufmannschaft gemacht wird. Ganz abgesehen davon, dass wir in der Verwaltungsspitze keinen Fuß mehr in die Tür bekommen.«
    »Und was schlägst du vor?«, rief eine Frau vom unteren Ende des Saales.
    »Ich schlage vor«, sagte Holthausen, »dass wir mit der SPD ernsthaft verhandeln. Auch wir haben in der Koalitionsvereinbarung Zugeständnisse gemacht. Der SPD muss klar werden, dass sie unsere Zustimmung zum Kappenstein-Projekt nur teuer erkaufen kann. Aber wenn uns die SPD tatsächlich substanzielle Kompensationen in anderen Bereichen anbietet, sollten wir über unseren Schatten springen.«
    Pfiffe und vereinzelte Buhrufe signalisierten, dass Holthausen mit seinem Vorschlag keine Mehrheit finden würde. Immer mehr Versammlungsteilnehmer meldeten sich zu Wort, und fast alle Rednerinnen und Redner lehnten das Kappenstein-Projekt ab. Gegeißelt wurde nicht nur die Umweltbelastung durch den Themenpark, sondern auch seine Hollywood-Kultur.
    »Reicht es denn nicht, dass unsere Kinos mit diesem Schund überschwemmt werden?«, ereiferte sich eine Frau in grüner Hose und orangefarbenem Pulli, die neben mir saß. »Ich möchte, dass meine Kinder friedliebend aufwachsen und nicht irgendwelche schießenden und prügelnden Helden als Vorbilder vorgesetzt bekommen. Und außerdem gibt’s bei Global Artists bestimmt nur diesen fürchterlichen amerikanischen Junkfood, Hamburger, Cheeseburger und Hotdogs bis zum Erbrechen.«
    Eine andere Frau schlug vor, anstelle des Themenparks, wenn auch auf erheblich verkleinerter Fläche, einen deutschen Märchenwald zu errichten. Zusätzlich könne es Erlebnis-Spielplätze für Kinder mit natürlichen Baustoffen und ökologischen Spielgeräten geben.
    Die Stimmung gegen das Kappenstein-Projekt spitzte sich zu, und einige Aufgebrachte forderten bereits das sofortige Ende der Koalition.
    Die Kämmerin hatte bis dahin schweigend zugehört, aber jetzt hielt es sie nicht mehr auf ihrem Stuhl. »Liebe Freunde …«, begann sie.
    »Und Freundinnen«, kam ein Zwischenruf.
    Rausch lächelte. »Liebe Freundinnen und Freunde, wie ihr wisst, bin ich nicht Mitglied dieses Kreisverbandes. Ich spreche daher nur als Gast. Doch in meiner Arbeit als Stadtkämmerin bin ich auf eure Unterstützung angewiesen. Für viele ist Finanzpolitik trockene Erbsenzählerei. Ich sehe das ganz anders. Für mich ist Finanzpolitik gestalterische Politik. Was wir in fünf oder zehn Jahren erreichen wollen, muss heute finanzpolitisch vorbereitet werden. Und – ich erzähle euch da nichts Neues – die finanziellen Spielräume der Kommunen werden immer enger. Die gesetzlich festgeschriebenen Sozialausgaben wachsen ständig, aufgrund der Sparpolitik des Bundes und der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit. Die Einnahmeseite hält da nicht mit, wir können die städtischen Steuern nicht beliebig erhöhen und sind gezwungen, das Vermögen anzugreifen, wie man so schön sagt: das Tafelsilber zu veräußern.«
    »Zur Sache!«, forderte ein Zwischenrufer.
    Die Kämmerin warf ihm einen eisigen Seitenblick zu. »Ich komme sofort zur Sache. Der Global Artists -Konzern würde eine Menge Geld in die Stadtkasse bringen.«
    Empörtes Aufheulen.
    »Ich weiß«, fuhr Rausch unbeirrt fort, »dass das in diesem Kreis eine unpopuläre Position ist. Nur möchte ich euch bitten, die Kehrseite eurer Entscheidung zu bedenken. Ich bin dann nämlich diejenige, die es ablehnen muss, die Projekte von

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