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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II.
Autoren: C.H.Beck
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um das kaiserliche «Umzugsgut» nach Holland zu verfrachten. Umsonst warnten die Sozialdemokraten davor, diesem «erledigten Monarchen», «in dem Millionen und Abermillionen einen der Hauptschuldigen an dem Kriege und dem daraus hervorgegangenen Elend sehen», solche Großzügigkeit angedeihen zu lassen.
    Nach einem Volksentscheid im Juni 1926 kam es zur endgültigen Gütertrennung zwischen dem Staat und der Hohenzollernfamilie. In einem Vertrag vom 29. Oktober 1926 wurde ein Drittel der 60 ehemals königlichen Schlösser – darunter Bellevue, Babelsberg, Monbijou, Königswusterhausen, Cecilienhof, Oels, das Palais Kaiser Wilhelms I. und das Niederländische Palais Unter den Linden, das Prinz-Albrecht-Palais in der Wilhelmstraße sowie die Hälfte der Burg Hohenzollern im württembergischen Hechingen – den Hohenzollern zugesprochen zusammen mit dem Jagdhaus Rominten in Ostpreußen, dem Gut Cadinen in Westpreußen und dem Achilleion auf Korfu. Sogar den Sattel, auf dem er im Stadtschloß am Schreibtisch gesessen hatte, konnte Wilhelm in seinem Turmzimmer inDoorn wieder verwenden. Als er 1941 verstarb, hatte sein Reinnachlaß einen Wert von fast 13 Millionen Mark.
    Kein anderer flüchtiger Monarch konnte sich einer derart generösen Abfindung erfreuen wie Wilhelm II. Und dennoch war sein Leben im Exil von Bitterkeit und Depressionen geprägt. Der verlorene Krieg, die Revolution in der Heimat, der «Verrat» der Generäle in Spa, die Flucht über die Grenze und die drohende Auslieferung an die Siegermächte – der Kaiser erlitt im Dezember 1918 einen Nervenzusammenbruch und legte sich, wie er das oft schon getan hatte, ins Bett. Sechs Wochen lang verließ er sein Zimmer nicht. Bis März 1919 trug er einen Verband um den Kopf; sein altes Ohrenleiden sei wieder akut geworden, hieß es. Gerüchte von einem Selbstmordversuch machten die Runde. Nicht wenige treue Besucher empfanden das Dasein ihres Kaisers erniedrigend und hegten im stillen den Wunsch, der Tod möge dem unwürdigen Zustand ein Ende bereiten.
    Mit dem Tod der herzkranken Kaiserin im April 1921 nahm Wilhelms Vereinsamung derart bedenkliche Formen an, daß sein Leibarzt Dr. Alfred Haehner ein Abgleiten in die menschenverachtende Eigenbrötlerei befürchtete. Er empfahl dringend mehr geselligen Kontakt, vor allem zu Frauen. Und bald trafen Frauen im Überfluß in Doorn ein in der Hoffnung, den 62jährigen Exilmonarchen zu umgarnen: eine hellseherische finnische Ärztin, zwei temperamentvolle ungarische Schwestern, die Prinzessin Luise zu Solms, Ittel von Tschirschky, die Erbprinzessin Marie Christine zu Salm-Salm, Catalina von Pannwitz und die verwitwete Auguste von Tiele-Winckler. Gabriele von Rochow kam mehrmals zu Besuch und brachte den Kaiser zeitweilig sogar zu der Überzeugung, er könne doch auch eine Frau aus dem Bürgerstand oder aus dem einfachen Adel heiraten, statt sich an das Prinzip der Ebenbürtigkeit zu halten. Den größten Eindruck auf ihn machte die fünfundzwanzigjährige Cornelia (Lily) van Heemstra, eine frühere Geliebte des Kronprinzen, die der Kaiser seinen «kleinen Sonnenschein» nannte. Er und Lily Heemstra sprachen offen von der Möglichkeit der Ehe, doch der Altersunterschied war einfach zu groß, und siezog weiter nach Kronberg in der Hoffnung, einen der vier Hessenprinzen heiraten zu können.
    In der kleinen Umgebung wurde dieses Kommen und Gehen mit Argusaugen beobachtet, doch alle waren überrascht, als der Kaiser im Juni 1922 die verwitwete Prinzessin Hermine von Schönaich-Carolath, Tochter des Prinzen Heinrich XXII. von Reuss älterer Linie, die er nie gesehen hatte, nach Doorn einlud. Sie traf am 9. Juni ein, und zwei Tage darauf war sie mit Wilhelm verlobt. Die Heirat, die am 5. November 1922 in Doorn stattfand, galt überall und nicht zuletzt in der kaiserlichen Familie als eklatante Mesalliance. Nicht nur war «Hermo» kaum älter als seine eigene Tochter; sie brachte fünf Kinder, das jüngste erst drei Jahre alt, mit in die Ehe; sie bestand von Anfang an darauf, zweimal im Jahr auf mehrere Wochen nach Deutschland zurückkehren zu dürfen; und sie verlangte, als Majestät angeredet zu werden. Sie erwies sich als streitsüchtig und ehrgeizig: Der Hausminister Friedrich von Berg und nicht er allein waren der Überzeugung, sie habe den Kaiser nur in der Erwartung geheiratet, als Deutschlands neue Kaiserin den Thron besteigen zu können, und sagten voraus, sie würde verbittert werden, sobald sie der
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