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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II.
Autoren: C.H.Beck
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den wenigsten Menschen verstanden […] Nun wurde Hitler leidenschaftlich [fuhr Dommes fort]: er legte eingehend dar, daß und weshalb die Juden das Unglück Deutschlands geworden seien, die Revolution gemacht hätten pp. Die Juden müßten deshalb ausgeschaltet werden. Das sei von jeher sein Ziel gewesen. Davon lasse er sich nicht abbringen. […] Die Niederwerfung von Kommunismus u. Judentum seien die Aufgaben, die er sich gesteckt habe u. die er lösen müsse. Er wisse nicht, wie viel Zeit ihm dazu gelassen sei.» Auf die verwunderte Frage Dommes’, ob er tatsächlich der Meinung sei, daß «die Monarchie zur Lösung der skizzierten Aufgaben nicht geeignet sei», ging Hitler nicht ein, «sondern kam wieder auf die Judenfrage zurück. Dann beendete er plötzlich die Unterredung.»
    So enttäuschend für Wilhelm diese Entscheidung auch war und so entsetzt er sich auch gelegentlich über die Exzesse des NS-Regimes geäußert hat: in den außenpolitischen Erfolgen Hitlers, die er mit Begeisterung kommentierte, sah er eine willkommene Fortsetzung seiner eigenen Hegemonialbestrebungen. So schrieb er nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens im September 1938: «Es war eine Eingebung Gottes, die Chamberlain veranlaßte, den Frieden zu sichern! Ein klarer Beweis für den Einfluß des Himmels auf Erden. Das Münchner Abkommen, das den Kriegsbefürwortern den Frieden
aufzwang
, hat Onkel Berties [Edwards VII.] Politik gegen uns zerschlagen & unter allgemeinem Einverständnis der Völker das
Europäische Konklave
bewirkt, das ich vergeblich 30 Jahre lang erwünscht habe.» Und weiter: «Wenn Grey sich 1914 so verhalten hätte wie Chamberlain 1938, hätte es keinen Weltkrieg gegeben. Aber 1914
wollte
das englische Volk den Krieg, 1938
fürchtete
es ihn!» Als es aber ein Jahr später doch zum Krieg kam, jubelte der Kaiser: «Der polnische Feldzug war prachtvoll. Altpreussischer Geist, die Führer ‹Meine Schule›!» Hermine berichtete Ende 1939: «Wir zweifeln nicht daran, dass es ihm [Adolf Hitler] gelingen wird, das perfide England niederzuringen und Deutschland den Platz an der Sonne zu erobern, den es braucht und verdient. […] Der Kaiser ist stolz auf diese junge Wehrmacht und freut sich an allen Schlaegen die England bekommt.» Beim deutschen Einmarsch in Holland im Mai 1940 lehnte Wilhelm das Angebot seines Vetters George V., ihm Asyl zu gewähren, mit der verächtlichen Bemerkung ab, daß er sich lieber erschießen lassen würde, als nach England zu flüchten; «er habe keine Lust, mit Churchill zusammen photographiert zu werden».
    Die Flucht der britischen Armee bei Dünkirchen und die Kapitulation Frankreichs rief in Doorn wilde Begeisterung hervor. Am 31. Mai 1940 prahlte Wilhelm: «Das Gottesgericht über Juda-England hat eingesetzt. Vernichtung in Flandern.» Beim Einzug der deutschen Truppen in Paris sandte der Kaiser dem «Führer» ein Glückwunschtelegramm, das diesen Sieg in die Kette der preußisch-deutschen Eroberungen unter seinen eigenen Vorfahreneinreihte. «Unter dem tiefgreifenden Eindruck der Waffenstreckung Frankreichs beglückwünsche ich Sie und die gesamte deutsche Wehrmacht zu dem von Gott geschenkten gewaltigen Siege mit den Worten Kaiser Wilhelms des Großen vom Jahre 1870: ‹Welche Wendung durch Gottes Fügung!› In allen deutschen Herzen erklingt der Choral von Leuthen, den die Sieger von Leuthen, des großen Königs Soldaten, anstimmten: Nun danket alle Gott!» Wie schon im Münchner Abkommen und im Feldzug gegen Polen sah Wilhelm II. in der Kapitulation Frankreichs die Rechtfertigung und Vollendung seiner eigenen Hegemonialpolitik. Hitlers Krieg, so jubelte der Kaiser im September 1940, sei «eine Folge von Wundern! Der altpreußische Geist von Fredericus Rex, von Clausewitz, Blücher, Yorck, Gneisenau etc. hat sich wieder gezeigt, wie in 1870–71. […] Die brillanten führenden Generäle in diesem Krieg kamen aus
Meiner
Schule, sie kämpften unter meinem Befehl im [Ersten] Weltkrieg als Leutnants, Hauptmänner und junge Majoren. Geschult von Schlieffen führten sie die Pläne durch, die er unter meiner Leitung ausgearbeitet hatte, genauso wie wir es 1914 taten.» Endlich sei die Gleichgewichtspolitik, die England seit der Zeit Edwards VII. gegen Deutschland verfolgt habe, zerschmettert und der Kontinent unter deutscher Vorherrschaft vereint. «Hier drüben sind die Vereinigten Staaten von Europa in der Entstehung, den ganzen Kontinent zu einem Block von Nationen
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