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Wilhelm Busch

Wilhelm Busch

Titel: Wilhelm Busch
Autoren: Das Grosse
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du hast fleißig geübt.
    Aber ich, Madam, und Sie, Madam, und der Herr Gemahl, der abends noch Hummer ißt, man mag sagen, was man will. – Doch nur nicht ängstlich! Die bösen Menschen brauchen nicht gleich alles zu wissen. Zum Beispiel ich werde mich wohl hüten; ich lasse hier nur ein paar kümmerliche Gestalten heraus, die sich so gelegentlich in meinem Gehirn eingenistet haben, als ob sie mit dazu gehörten.

    Es ist Nacht in der kunst- und bierberühmten Residenz. Ich komme natürlich aus dem Wirtshause, bin aber bereits in der Vorstadt und strebe meinem einsamen Lager zu. Links die Planke, rechts der Graben. Hinter mir eine Stadt voll leerer Maßkrüge, vor mir die schwankende Nebelsilhouette eines betagten Knickebeins. Bald drückt er zärtlich die Planke, bald zieht ihn der Graben an, bis endlich die Planke, bald des falschen Spiels müde, ihm einen solch verächtlichen Schubs gibt, daß er dem Graben, mit Hinterlassung des linken Filzschuhes, sofort in die geschmeidigen Arme sinkt. Ich ziehe ihn heraus bei den Beinen, wie einen Schubkarren. Er wischt sich die Ohren und wimmert kläglich: „Wissen S’, i ßiech halt nimma recht!“ – Gewiß häufig eine zutreffende Ausrede für ältere Herren in verwickelten Umständen. Ein andermal derselbe Weg. – Vor mir ein zärtliches Pärchen. Ihr schleift, am Bändel hängend, die Schürze nach. Ich wirble sie auf mit dem Stock und sage in gefälligem Ton: „Fräulein, Sie verlieren etwas.“ Sie hört es nicht. Es ist der Augenblick vor einem Liebeskrach. Er schlägt sie zu Boden, tritt ihr dreimal hörbar auf die Brust, und fort ist er. – Schnell ging’s. – Und was für einen sonderbaren Ton das gibt, so ein Fußtritt auf ein weibliches Herz. Hohl, nicht hell. Nicht Trommel, nicht Pauke. Mehr lederner Handkoffer; voll Lieb und Treu vielleicht. – Ich gebe ihr meinen Arm, daß sie sich aufrichten und erholen kann; denn man ist oft gerührt und galant, ohne betrunken zu sein.
    Ein andermal ein anderer Weg. – Ein berühmter Maler hat mich zu Mittag geladen. Stolz auf ihn und meine sil-bervergoldete Dose, geh ich durch eine einsame Straße und drehe mir vorher noch eben eine Zigarette. Hinter mir kommt wer angeschlurft; er schlurft an mir vorbei. „Ja, Beddel-leit, die hat koana gern; die mag neamed.“ Er spricht es leise und bescheiden. Er schaut nicht seitwärts, et schaut nicht um; et schlurft so weiter. Hände im schwärzlichgrauen Paletot; schwärzlichgrauer Hut im Nacken;

    Hose schwärzlichgrau, unten mit Fransen dran; da, wo Hut und Paletotkragen ihre Winkel bilden, je ein Stückchen blasses Ohr zu sehen. Ein armer, farbloser Kerl. Schon zehn Mark vermutlich würden ihm recht sein. Freilich – der Schneider – die Fahrt ins Tirol – am Ende versäuft er’s nur – macht nichts. Gib’s ihm halt! – Inzwischen ist er weg ums Eck, für immer unerwischbar. Schnell eine andere Tür. – Schau, schau! – Zwischen zwei Hügeln, mit-tenhindurch der Bach, das Dörflein meiner Kindheit. Vleies im scharfen Sonnenlicht früher Eindrücke; manches überschattet von mehr als vierzig vergangenen Jahren; einiges nur sichtbar durch den Lattenzaun des Selbstcrlebten und des Hörensagens. Alles so heiter, als hätt’ es damals nie geregnet.
    Aber auch hier gibt’s arme Leutchen. – Es ist noch die gute alte Zeit, wo man den kranken Handwerksburschen über die Dorfgrenze schiebt und sanft in den Chausseegraben legt, damit er ungeniert sterben kann; obschon der unbemittelte Tote immerhin noch einen positiven Wert hat; unter andern für den Fuhrmann, der ihn zur Anatomie bringt. Im Dörflein seitab, hier hinter den trüben Fensterscheiben, da sitzt vielleicht das „Puckclriekchen“. Sie spinnt und spinnt. Auf die Lebensfreuden hat sie verzichtet. Aber drei Tage nach ihrem Tode, da wenigstens möchte sie sich mal so ein recht gemütliches Fest bereiten, nämlich ein ehrliches Begräbnis mit heilen Gliedmaßen, im schwarzlackierten Sarge, auf dem heimatlichen Kirchhofe.
    Nach dem Professor, der die toten Leute kaputtsehneidet, will sie nicht hin; und dann müßte sie sich ja auch so schämen vor den Herren Studenten, weil sie gar so klein und mager und bucklicht ist. Darum bettelt sie und sinnt und spinnt von früh bis spät. – O weh! Zu früh schneidet die Parze den Flachs- und Lebensfaden ab. Es hat nicht gelangt. Nun heißt es doch: „Hinein in die ungehobelte Kiste!“ und: „Krischan, spann an!“

    Und dort fährt er hin mit ihr in der frühen
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