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Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie

Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie

Titel: Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie
Autoren: Valentin Zahrnt
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nach. Als er näher kam, sah er, dass sie weinte.
    Er öffnete die Arme, sie ließ sich hineinsinken und begann zu schluchzen.
    Der Ausläufer einer Welle schwappte um ihre Füße, ohne die Sohle zu übersteigen.
    „ Es ist mir alles zu viel. Einfach zu viel. Ich kann das nicht mehr. Ich will ...“ Sie weinte heftiger. „Was ist nur los mit mir? In Alaska habe ich den Druck ausgehalten, und jetzt? Warum ist jetzt alles so anders?“
    „ In Alaska, da haben wir nie gewusst, was eigentlich geschieht, oder wir haben etwas geglaubt und danach festgestellt, dass wir uns getäuscht hatten. Es war zum Verrücktwerden, aber es ging uns beiden gleich, wir konnten darüber reden.“
    „ Ja, genau so war es.“ Sie schniefte. „Oliver hat uns vorgemacht, dass Albert der Auftraggeber des Mörders war, der in Wirklichkeit Oliver selbst war, all das. Es war zum Verrücktwerden und trotzdem war es wirklich, ich meine, es hat sich wirklich angefühlt. So wie wenn man mit verbundenen Augen Dinge berührt, die man nicht kennt: Man kann damit nicht viel anfangen, aber das Fühlen selbst ist wie immer. Jetzt habe ich das Gefühl, dass meine Finger ganz taub sind. Dieser verdammte Benounes.“
    „ Er hat dir keine Drogen gegeben, da bin ich mir sicher.“
    „ Meinst du?“
    „ Ich habe letzte Nacht lange mit ihm gesprochen. Er will uns helfen. Und er kann diesen Schiefer nicht ab.“
    „ Du hast bestimmt auch mit meiner Mutter gesprochen.“
    „ Ja, aber nur kurz, wann sie nach Berlin kommt und so.“
    „ Was hat dir der Psychiater erzählt?“
    „ Herr Benounes hat von deiner Vergangenheit gesprochen. Dass du schon einmal in Behandlung warst, bevor ich dich kennengelernt habe, und dass es dir danach besser ging – bis wir nach Alaska gefahren sind.“
    „ Ja“, stieß sie hervor.
    „ Du hast eine erfolgreiche Therapie absolviert. Aber mit manchen Erfahrungen kann man nicht mit einem Schlag fertig werden, vor allem wenn man noch nicht erwachsen ist.“
    Sie sagte etwas Unverständliches, entfernte ihren Mund von seiner Jacke und wiederholte deutlicher: „Als ich die Epilepsie hatte ... Komm, setzen wir uns.“ Sie zog ihn einige Schritte landeinwärts auf den Sand und lehnte sich an seine Schulter. „Du wirst böse sein, weil ich dir nicht alles erzählt habe. Ich hatte keine normale Epilepsie.“
    Ein Dackel kam auf sie zu, schnüffelte an ihren Füßen und folgte dem Ruf seines Herrchens. Anna wartete, als müsse der Dackel erst außer Hörweite sein, ehe sie weitersprach: „Am Anfang war ich in einer geschlossenen Anstalt und dann in einem betreuten Frauenhaus mit meiner Mutter. Dort habe ich eine Freundin gefunden, und auch als ich wieder mit meiner Mutter ganz normal wohnte, haben wir uns oft getroffen. Die Freundin hat mit Pilzen experimentiert und ich habe mitgemacht. Das war wie einige Jahre Therapie auf einige Stunden zusammengeballt. Die schlimmen Erinnerungen erschienen mir im Rausch so grotesk verzerrt, fast lächerlich, danach konnten sie mich nicht mehr in den alten Schrecken versetzen.“
    Jan konnte das nach seinen eigenen psychodelischen Erfahrungen gut nachempfinden. Selbst Annas Todesangst hatte ihn damals belustigt.
    „ Eines Tages hat mich meine Mutter erwischt. Aber weißt du was?“ Sie klang gerührt. „Sie hat mir zugehört und wir haben vereinbart, dass wir in eine andere Stadt ziehen und ich dort keine Pilze mehr nehme. Daran habe ich mich gehalten. Und ich brauchte sie auch gar nicht mehr. Mir ging es nie so gut wie bei euch an der Schule.“ Sie lachte. „Ich war eine glückliche Außenseiterin, so unglaublich frei. Wie aus einem Gefängnis entlassen.“
    Sie nahm ihren Kopf von seiner Schulter und schaute auf den Sand, den sie von einer Hand in die andere rieseln ließ. „Im Chix-Tal hat alles wieder angefangen.“
    Jan wartete. Das war mehr, als er von ihr zu hören gehofft hatte. Sie hatte zum ersten Mal ehrlich von ihrer Vergangenheit gesprochen. Würde sie zum Schluss gelangen, dass sie eine weitere Therapie brauchte? War es denkbar, dass sie bald aufstehen und einen Psychiater aufsuchen würden?
    Anna öffnete die Finger und ließ den Sand auf ihre Jeans rinnen. Sie klopfte die letzten Körner von ihrer Hand und sagte tonlos: „Oliver hat mich nicht vergewaltigt.“
    Jan zuckte zusammen.
    „ Er hat mich ausgezogen, aber ich war nicht da, ich war schon unerreichbar. Ich glaube, er wollte, dass jemand dabei ist, wenn er es tat, dass jemand Angst zeigt, und deswegen hat er
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