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Wildes Erwachen

Wildes Erwachen

Titel: Wildes Erwachen
Autoren: Rainer Koenig , Birgit Koenig
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unauffällig verschwinden zu lassen. Schon die ganze Zeit hatte sie die Reste der Verpackungen auf dem Nachtkästchen im Blick, die einmal die verschiedensten Süßigkeiten umhüllt hatten. Sie fuhr mit der Hand über die Glasplatte und versuchte, den Abfall unauffällig im Papierkorb verschwinden zu lassen.
    Er begann laut zu lachen und schüttelte den Kopf: »Gib dir keine Mühe, Täubchen, wir alle hier wissen doch, welche Mengen du von dem Zeug in dich hineinfrisst.«
    »Stimmt doch gar nicht!«, protestierte sie, »ich hab’ mich in letzter Zeit stark zurückgehalten!«
    Er musterte sie noch eine Zeit lang grinsend, stand dann auf und ging zur Tür. Als er sich noch einmal kurz umdrehte, war sein Gesicht zu einer wütenden Fratze erstarrt: »Das ist mir völlig egal. Wenn dein Umsatz in Zukunft nicht passt, gehst du für eine Woche in den Bunker! Wenn du Trampel dann immer noch nicht deinen fetten Arsch bewegst, wirst du verscheuert. Und frag nicht, was dir dann blüht!«
    Krachend fiel die Tür ins Schloss.
    Was ihr dann drohte, hatte sie gerüchteweise von ihren Kolleginnen gehört: In der alten Fabrik, in der sie die ersten Tage in Asch zugebracht hatte, sollte es einen Keller geben, in dem man die widerspenstigen Mädchen drangsalierte. Dann war noch die Rede von Puffs irgendwo auf dem Balkan, wo an einem Tag gut 30 oder 40 grässlich stinkende Männer über einen hinwegrobbten.
    Weinend vergrub sie sich im Kopfkissen und versuchte zu beten. Aber die innere Stimme ließ sich nicht unterdrücken: »Du hast Schande über deine Mutter, dein Kind und die ganze Familie gebracht! Du hättest es wissen müssen!«
     
    Die vorsichtig geäußerten Bedenken seiner Frau: »Du, als Lehrer, willst ein Puff besuchen? Hast du keine Angst vor dem Gerede der Leute?«, wischte Kral ziemlich rüde beiseite: »Was die Leute sagen oder denken, geht mir völlig am Arsch vorbei!«, denn Eva hatte einen wunden Punkt der sonst so lebenswerten Kleinstadt angesprochen, mit dem er schon immer seine Schwierigkeiten hatte, nämlich den Tratsch, der sich erstaunlich rasch verbreitete und vor allem Abweichungen von den sittlichen Normen zum Thema hatte. Ganz oben auf der Liste stand die Verletzung des sechsten Gebots. Aber selbst eine nachlässig durchgeführte Räumung des Bürgersteigs vom Schnee konnte einen durchaus ins Gerede bringen.
    Krals Ärger hatte auch einen handfesten Hintergrund: Waren doch er und seine Frau vor nicht allzu langer Zeit selbst ins Gerede gekommen: Mit der Kralschen Ehe stehe es nicht zum Besten, wurde kolportiert. Für die Beobachter hatte Kral wohl etwas zu häufig zusammen mit einer Kollegin in einer zentral gelegenen und von außen gut einsehbaren Eisdiele Kaffee getrunken. Gefördert wurde das Gerücht durch die Tatsache, dass seine Frau damals die Osterferien benutzte, um mit ihrer Tochter eine Urlaubsreise nach Griechenland zu unternehmen. Dass Kral wegen seiner Flugangst daheim geblieben war, konnten die »Spekulanten« natürlich nicht wissen.
     
    Kral, der sich schon während seiner Seefahrtszeit in den einschlägigen Schuppen herumgetrieben hatte, wusste natürlich, dass es aus verschiedensten Gründen nicht ratsam war, ein Puff alleine zu besuchen. Auf Einzelkämpfer lauerten diverse Gefahren, die von der Abzocke bis hin zu körperlichen Angriffen reichten. Außerdem konnte man den Nutten mit einem Begleiter signalisieren, dass man nicht unbedingt auf Sex aus war, sondern einfach nur das eine oder andere Glas trinken wollte.
    Wer käme nur als Begleiter in Frage? Auf keinen Fall ein Kollege! Dem würde angesichts der Peinlichkeit des Unternehmens die nötige Lockerheit fehlen. Nach einigem Überlegen kam er zu dem Schluss, dass eigentlich nur ein Mann über die nötige Eignung verfügte: Ludwig Liebermann, Mitte 30, erfolgreicher Verkäufer von Versicherungspolicen, der nach der Wende im Osten ein Vermögen gemacht hatte und mit einer solchen Heftigkeit in das Nachtleben der Nachbarstadt Asch eintauchte, dass dabei seine Ehe in die Binsen ging. Der kommunikative Typ, der durchaus auch als Alleinunterhalter sein Geld hätte verdienen können, saß häufig am Stammtisch »auf der ’03«, wo auch Kral verkehrte.
    Mit Sicherheit kannte der Mann einige Clubs in Asch. Und noch besser: Er musste nicht überredet werden. Es war den Stammtischbrüdern hinreichend bekannt, dass er häufig gegen acht, wenn der Dämmerschoppen sein Ende gefunden hatte, ein Taxi bestellte, um zunächst die Spielbank in Asch
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