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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut
Autoren: Shril Henke
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zerrend, den Hund bis zur Küche brachte.
    "Wir sehen uns dann beim Dinner, meine liebe Gemahlin. Ich hoffe, es wird nicht zu spät sein. Ich bin sehr hungrig."
    Die Worte, gesprochen mit dieser tiefen, seidigen Stimme, ließen sie vor Angst erschauern - oder war es Aufregung? Sie sah sich nicht um, als sie hörte, wie er die niedrigen Stufen zu den Gemächern Dona Sofias hinaufging, die im Ostflügel lagen.
    Vor der Tür hielt er inne und fragte sich, wie die Begrüßung durch die alte Frau wohl ausfallen mochte - eine kalte, abweisende Mutter, die ihren einzigen Sohn stets abgelehnt hatte. Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden. Er klopfte, und eine dünne Stimme, brüchig vom Alter, bat ihn herein.
    Der Raum war durchdrungen vom Geruch des Todes.
    Schwere weinrote Samtvorhänge verbargen die Fenster, und ein dicker Teppich im selben Farbton bedeckte den Boden. An der Wand hing ein mit Edelsteinen reichverziertes goldenes Kruzifix. Statuen, Kerzen und religiöse Bilder füllten jeden verfügbaren Platz aus. Das Bett war mit elfenbeinfarbenen Seidendraperien verhangen, und Moskitonetze verschleierten die Gestalt, die dort, von Kissen gestützt, lag.
    "So bist du also zurückgekehrt, um diesen Ort an dich zu bringen." Sie kniff die Augen zusammen, als er an ihr Bett trat und die Gazevorhänge zur Seite schob.
    "Ich könnte niemals Don Anselmos Platz einnehmen, Mamacita." Sie erstarrte bei dem spöttischen Kosewort, genau, wie er es erwartet hatte.
    Dona Sofia war erst zweiundfünfzig, aber sie wirkte mindestens zwanzig Jahre älter, dünn und verbraucht. Die Schwindsucht zehrte an ihr und raubte ihr allmählich die Lebenskraft. Ihr Gesicht war von derselben Farbe wie die Talgkerzen, die neben ihrem Bett flackerten. Die Haut spannte sich über ihren hohen Wangenknochen, und die dunkelbraunen Augen lagen tief in den Höhlen, wie bei einer Totenmaske.
    Doch sie waren getrübt vom Grauen Star. In seltsamem Kontrast dazu stand ihr tintenschwarzes Haar, das nur eine einzige silbergraue Strähne aufwies, die in einen der beiden Zöpfe verwoben war, die zu einer Krone auf ihrem Kopf hochgesteckt waren.
    "Du übertriffst deinen Vater inzwischen sicher in deinen Ausschweifungen, nach all den Jahren im Krieg, in denen du mit dem Abschaum gelebt hast, der dafür bezahlt wird, die Schlachten dieser Fremden zu schlagen. Darauf möchte ich wetten."
    Er hob erstaunt die Brauen. "Wäre es dir lieber, wenn dieser indianische Bauer Juarez Mexico regiert, anstelle des Kaisers Maximilian?"
    "Mach dich nicht lächerlich. Du weißt, dass ich diesen gottlosen Plünderer der Heiligen Mutter Kirche verachte." Ihre knochigen Finger umklammerten fest den Rosenkranz aus Lapislazuli und Perlen.
    "Es gibt nur die Wahl zwischen Juarez und Maximilian."
    Sie seufzte schwach. "Politik interessiert mich nicht mehr.
    Gott und die Heiligen werden den Glauben bewahren. Es ist nun nicht mehr deine Pflicht, für den Kaiser zu kämpfen."
    "Ich kenne meine Pflichten gegenüber dem Hause Alvarado", sagte er, steif und förmlich.
    "Weder du noch dein Erzeuger haben jemals zuvor erkennen lassen, dass sie sich ihrer Pflichten bewusst sind."
    "Müssen die Sünden der Väter immer auf den Sohn übergehen?" fragte er bitter.
    "Du hast genug Sünden auf dich geladen, für die du dich verantworten musst", fuhr sie ihn an. "Du hast das eheliche Lager verlassen, um dich mit Huren herumzutreiben, und bist dann wenige Wochen nach der Hochzeit davon geritten."

    "Nun, jetzt habe ich Pater Salvadors Aufforderung Folge geleistet."
    "Erst der Tod deines Vaters hat dich hierher geführt. Sogar er missbilligte es, dass du fortgingst, ehe du einen Erben gezeugt hast."
    Er dachte an ein Wesen mit schimmerndem goldenen Haar und glänzenden Bernsteinaugen. Ein abwesender Ausdruck trat in sein Gesicht, aber er trug nicht dazu bei, die zarte Schönheit seiner Züge weicher erscheinen zu lassen. "Sie ist zu einer sehr schönen Frau herangereift. Einen Erben für Gran Sangre zu zeugen, wird keine allzu große Belastung sein."
    "Sie wird vielleicht anders darüber denken. Die Kleine hat während deiner Abwesenheit einige seltsame Vorstellungen entwickelt. Du hättest sie niemals all diese Jahre allein lassen dürfen."
    Er wurde aufmerksam. "Wovon sprichst du?"
    "Das wirst du früh genug erfahren. Aber ich zweifle nicht daran, dass du sie dir unterwerfen wirst. Schließlich bist du der Sohn deines Vaters", sagte sie mit bitterer Ironie.
    Ärger stieg in ihm auf, aber er verneigte sich
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