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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verschiedenem. Zum Beispiel vom Wetter.«
    »Das Barometer steht hoch.«
    »Haben Sie noch nie erlebt, daß es rasch wieder fallen kann?«
    »Das schon«, brummte Jean.
    Die beiden erreichten das Gasthaus, und die Dame landete gegen ihren Willen im schönsten und teuersten Doppelzimmer des Hauses. Das ging folgendermaßen vor sich:
    »Ich möchte ein Einzelzimmer«, sagte sie zu Frau Wagner, einer zweimal verwitweten, gestrengen Person, welche die Zimmer unter sich hatte.
    »Für wie lange?«
    »Das will sie noch nicht wissen«, mischte sich Jean ein.
    »Was?« fragte irritiert Frau Wagner, zwischen Jean und der Dame hin und her blickend.
    »Ich kann noch nicht sagen, wie lange ich bleibe«, erklärte die Dame.
    »Das ist von verschiedenem abhängig«, ließ sich Jean vernehmen.
    Frau Wagner beendete seinen Auftritt.
    »Haben Sie nichts mehr zu tun?« fragte sie ihn.
    »Doch, Kartoffeln schälen.«
    »Na also!«
    Mißmutig trollte sich Jean. Anschließend sagte Frau Wagner zu der Dame, die angekommen war: »Unsere Einzelzimmer liegen teilweise leider zur Straße hinaus. Wollen Sie ein ruhigeres?«
    »Die sind wohl teurer?«
    »Ja, natürlich.«
    »Ach, wissen Sie, mir macht ein bißchen Lärm nichts aus. Ich habe einen guten Schlaf.«
    Frau Wagner händigte den Schlüssel zu Zimmer 19 aus. Zugleich bat sie die Dame, die aus Koblenz kam, den Meldezettel auszufüllen. Nachdem dies geschehen und der Blick von Frau Wagner auf den ausgefüllten Meldezettel gefallen war, änderte sich die Situation plötzlich in der überraschendsten Weise.
    »Sie sind Frau Rehbein?« stieß die Zimmerverwalterin hervor. Irgend etwas war ihr ganz offensichtlich sehr unangenehm.
    »Ja.«
    »Ingrid Rehbein?«
    »Ja«, antwortete die Dame wieder. Ihr Erstaunen wuchs.
    »Aus Koblenz?«
    »Ja. Was bedeuten Ihre Fragen?«
    »Entschuldigen Sie, Sie kennen doch Herrn Selzer?«
    »J … ja«, erwiderte die Dame zögernd.
    »Darf ich Sie bitten, mir den Schlüssel zurückzugeben?«
    »Warum?«
    »Herr Selzer hat mir Sie avisiert. Sie bekommen nicht Zimmer 19, sondern Zimmer 34.«
    »So?«
    Frau Wagner nickte.
    Frau Rehbein überlegte kurz.
    »Worin unterscheidet sich Zimmer 34 von Zimmer 19?« fragte sie dann.
    »Es ist das schönste, das wir haben«, erwiderte Frau Wagner mit ausdrucksloser Miene. Das war aber noch nicht die ganze Wahrheit.
    Frau Rehbein stand, als sie die Schwelle zu Zimmer 34 überschritt, nicht in einem Einzel-, sondern in einem hübschen Doppelzimmer.
    Fritz Brühe saß wieder auf seinem Klappstühlchen und arbeitete an seinem Bild. Ja, war er nun Fritz Brühe oder ein anderer? Im Moment hätte er sich, da er ganz dem Malen hingegeben war, als Frédéric Bruhère fühlen müssen. Aber nein, dem war nicht so. Er hielt inne und blickte von seinem Platz im Weinberg hinunter zum ›Winzergold‹.
    Brühe klingt doch gar nicht schlecht, hat sie gesagt, dachte er. Ich weiß nicht, was Sie haben, hat sie gesagt. Wenn ich Künstlerin wäre, hätte ich gar nichts dagegen, etwa Friederike Brühe zu heißen, hat sie gesagt.
    Er seufzte.
    Oder Anne Brühe, dachte er, habe ich daraufhin gesagt. Dann war aber der Faden so ziemlich gerissen. Sie lief weg. Hätte ich mich nicht gleich so ins Zeug legen sollen? Man wird doch noch einen Spaß machen dürfen.
    Einen Spaß?
    Sicher, ich, der arme Teufel – und sie, die Millionärstochter, was sollte das anderes sein, wenn nicht … Spaß?
    Er seufzte noch einmal tief aus seinem Herzen.
    Drunten im Tal schälte Jean Kartoffeln, und Ingrid Rehbein stand vor ihren Doppelbetten und fragte sich, welches der beiden sie für sich wählen sollte. Das dem Fenster zugewandte? Oder das andere?
    Oder gar keines und wieder abreisen?
    Letzteres wäre wohl das Richtige, sagte sie sich.
    Dann legte sie ihr Nachthemd, das sie aus dem Koffer genommen hatte und in der Hand hielt, unters Kopfkissen des dem Fenster zugewandten Bettes.
    Ingrid Rehbein war eine geschiedene Frau. Ihre Ehe mit einem mittleren Finanzbeamten hatte nach neun Jahren Schiffbruch erlitten. Eigentlich war diese Ehe schon nach sechs Monaten kaputt gewesen, aber eine anständige Frau läßt sich nicht nach sechs Monaten schon wieder scheiden. Ein korrekter Beamter auch nicht. Eine anständige Frau und ein korrekter Beamter halten es zehn Jahre in einer solchen Ehe aus – oder wenigstens neun Jahre –, dann erst wird die Konsequenz gezogen, die bereits nach einigen Monaten fällig gewesen wäre. So gehört sich das!
    Inspektor Karl Rehbein,
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